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Evangelische Kirche und Verbandsgemeinde Selters starten Projekt

Flüchtlinge sollen mit Hilfebörse schneller Fuß fassen

bonDie Mitarbeiterinnen der Betreuenden Grundschule (von links) Sandra Mäleke, Claudia Haubrich und Jutta Oost freuen sich über Masoumeh Khawari (2. von rechts), die inzwischen zu einem unverzichtbaren Teil des Teams geworden ist.

Frust, Ungewissheit, Tristesse: Viele Flüchtlinge erleben in Deutschland einen Alltag, der an die Substanz geht. Mit einer Hilfebörse sollen diese Menschen nun die Möglichkeit bekommen, ihre Zeit sinnvoll zu nutzen. Ein Projekt, von dem auch Einheimische und Unternehmen profitieren könnten.

bonMasoumeh Khawari (rechts) ist inzwischen zum festen Bestandteil des Teams der Mittagsbetreuung der Grundschule Marienrachdorf geworden und nicht nur für Sandra Mäleke (links) und Claudia Haubrich eine große Hilfe. Die vom Dekanat Selters, der Diakonie und der Verbandsgemeinde Selters initiierte Hilfebörse "Fuß fassen" soll nun noch mehr Flüchtlingen ermöglichen, sinnvolle Beschäftigungen anzutreten.

Eine große Schale mit Kartoffelsalat, dampfende Würstchen und ein Dutzend Kinder mit mächtig Appetit. Masoumeh Khawari weiß, dass es jetzt schnell gehen muss: Rasch füllt sie die Schüsseln, damit die Kleinen endlich zugreifen können. Seit vier Monaten ist die junge Frau aus Afghanistan Teil des Betreuungsteams der Grundschule Marienrachdorf. „Ich mag Kinder – und ich mag meine Arbeit in der Schule “, sagt sie. Denn sie kümmert sich nicht nur um das Essen, sondern springt auch schon mal ein, wenn den Jungs und Mädchen während der Mittagsbetreuung ein Spielpartner fehlt. Für die anderen Betreuerinnen ist sie in den vergangenen vier Monaten zu einer unverzichtbaren Hilfe geworden, und die Kinder können sich die Mittagszeit ohne Masoumeh inzwischen kaum noch vorstellen.

Masoumeh hat ihren Platz gefunden – auch dank der ehrenamtlichen Helfer der Willkommenskultur, die ihr als Paten beistehen und die Stelle in der Schule vermittelt haben. Viele Flüchtlinge bringen wertvolle Talente mit, die die Verbandsgemeinde Selters, das Diakonische Werk und das Projekt Willkommenskultur des Evangelischen Dekanats Selters nun ans Licht bringen wollen: Unter der Überschrift: „Fuß fassen“ haben sie eine Hilfebörse ins Leben gerufen, die sowohl Flüchtlingen als auch Einheimischen zugute kommen soll.

Viele Talente

Alexander Böhler gehört zu den Initiatoren von „Fuß fassen“ und erklärt die Idee: „Unter den Flüchtlingen gibt es viele fähige Leute: ausgebildete Frisöre, Schneider, Fliesenleger, Mechaniker, und, und, und“, sagt der Diakonie-Mitarbeiter. „Gemeinsam mit der Verbandsgemeinde haben wir mit jedem Einzelnen gesprochen – auch über dessen Vorbildung und Wünsche. Wenn Einheimische nun Unterstützung bei kleinen Arbeiten brauchen, können sie sich bei der Verbandsgemeinde melden. Deren Mitarbeiter prüfen dann, welcher Flüchtling am besten helfen kann und vermittelt den Kontakt.“

Ein enormer Gewinn

Ein Konzept, das beiden Seiten nützt, sind sich Alexander Böhler und Bürgermeister Klaus Müller sicher: „Gerade für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger ist dieses kostenlose Angebot ein enormer Gewinn. Und die Flüchtlinge haben eine sinnvolle Aufgabe, die ihnen neue Perspektiven gibt“, sagen sie übereinstimmend. Zumal auch die Sprache in den meisten Fällen kein Problem mehr ist. „Man kann sich mit allen Flüchtlingen auf Deutsch verständigen“, sagt Böhler. Auch Bürgermeister Müller hofft, dass denjenigen, die etwas können und helfen möchten, Chance für sinnvolle Beschäftigungen eröffnet werden. „Mit dem Projekt sollen diese Menschen die Möglichkeit bekommen, sich über die Form der Nachbarschaftshilfe nachhaltig in unsere Gesellschaft zu integrieren.“

Kein Ersatz für die Profis

Eines ist die Hilfebörse freilich nicht: Ein Ersatz für qualifizierte handwerkliche Arbeiten. „Die ist natürlich nach wie vor Sache der Profis“, sagt Isabella Horz, Koordinatorin der Willkommenskultur im Evangelischen Dekanat Selters. „Bei der Hilfebörse ,Fuß fassen’ geht es ausschließlich um kleinere Handreichungen im Garten oder im Haushalt, also um Tätigkeiten, die unter die Nachbarschaftshilfe fallen.“ Allerdings soll das Projekt nicht nur Privatleuten zugute kommen. Auch die lokalen Betriebe könnten davon profitieren, glaubt Isabella Horz: „In vielen Unternehmen mangelt es an qualifiziertem, motiviertem Nachwuchs. Unter den Flüchtlingen gibt es etliche Menschen mit Berufserfahrung, die hier eine angemessene Beschäftigung suchen. Deshalb kann ,Fuß fassen’ auch für Firmen eine Chance sein.“

Ein Anruf genügt

Nun hoffen die Mitarbeiter der Diakonie sowie Nicole Dahlem und Melina Haubrich von der Verbandsgemeinde, dass die Hilfebörse „Fuß fassen“ rege in Anspruch genommen wird: „Man muss sich nur bei der Verbandsgemeinde melden und angeben, für welche Aufgabe man Hilfe braucht. So einfach ist das“, sagt Nicole Dahlem. In der Grundschule Marienrachdorf sind die Würstchen inzwischen verputzt, und Masoumeh hat Zeit, mit drei Jungs eine Runde zu spielen. Währenddessen spricht sie den Kindern die gewürfelten Zahlen und Farben laut vor – eine willkommene Nachhilfestunde in Deutsch für die junge Mutter. Und eine schöne Möglichkeit, in der neuen Heimat schneller Fuß fassen zu können. (bon)

Weitere Infos und Kontaktmöglichkeiten zur Hilfebörse „Fuß fassen“ gibt es bei der Verbandsgemeinde Selters, Telefon 02626/76435 sowie beim Projekt Willkommenskultur des Evangelischen Dekanats Selters, Telefon 02626/924417.

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