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Erklärung zu den Absprachen der Kirchen mit dem BAMF

Für einen verantwortlichen Umgang mit dem Kirchenasyl

BAG Asyl in der Kirche

Auf Initiative der EKHN haben im September 2018 mehrere Evangelische Landeskirchen eine Stellungnahme zur aktuellen Debatte um das Kirchenasyl erstellt. Damit wird auf die teilweise einseitige öffentliche politische Darstellung reagiert, die Kirchengemeinden unterstellt, Absprachen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht einzuhalten. Für Gespräche rund um die kontroverse Debatte zum Kirchenasyl ist das Papier als Argumenationshilfe geeignet.

Stellungnahme zum Kirchenasyl

In der öffentlichen Berichterstattung rund um das Kirchenasyl stehen zurzeit insbesondere die zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Jahr 2015 getroffenen Absprachen zum Vorgehen in Fällen von Kirchenasyl im Fokus. Das nehmen die unterzeich-nenden Landeskirchen zum Anlass, einige grundsätzliche Anmerkungen zum Kirchenasyl und dem mit dem BAMF vereinbarten „Dossierverfahren“ aus ihrer Sicht zu machen.

1. Kirchenasyl wird nicht leichtfertig gewährt

Kirchenasyl ist stets ultima ratio und wird von Kirchengemeinden verantwortungsvoll und nach sehr sorgfältiger Prüfung im Einzelfall gewährt, um schwerwiegende humanitäre Härten und drohende Verletzungen von elementaren Grund- und Menschenrechten abzuwenden. Gemessen an der Anzahl der Asylverfahren und der Vielzahl der Anfragen nach Kirchenasyl, die die Gemeinden täglich erreichen, ist die Zahl der derzeit tatsächlich gewährten Kirchenasyle äußerst gering, was deutlich macht, dass die Kirchengemeinden keinesfalls leichtfertig Kirchenasyl gewähren.


2. Die ursprüngliche Vereinbarung der Kirchen mit dem BAMF

Im Jahr 2015 wurde eine Absprache zwischen der EKD, der DBK und dem BAMF getroffen, die im Wesentlichen folgende Punkte beinhaltete:

  • Die Landeskirchen benennen Ansprechpersonen für Kirchenasyl. Diese können dem BAMF in Fällen von Kirchenasyl, bei denen es sich um Dublin-Verfahren handelt (also Verfahren, bei denen aufgrund der Dublin-III-Verordnung ein anderer europäischer Staat für die Prüfung der Fluchtgründe zuständig ist und die daher in der Bundesre-publik Deutschland als unzulässig abgelehnt wurden) ein sogenanntes Dossier vorle-gen. In dem Dossier sollen die individuellen Härtegründe geschildert werden, die die Gemeinde zu der Gewährung von Kirchenasyl bewegt haben, also Krankheit, Verelendung oder Misshandlung im Drittstaat, familiäre Gründe, drohende Kettenabschiebung, etc. Aufgrund des Dossiers entscheidet das BAMF, ob im konkreten Fall auf die Abschiebung verzichtet wird, der rechtliche Begriff dafür lautet „Ausübung des Selbsteintrittsrechts (SER) gem. Art. 17 DU-III-VO“. Übt das BAMF das SER aus, übernimmt es damit die Zuständigkeit für das Asylverfahren und das Kirchenasyl kann beendet werden. Die Ansprechpersonen sollten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, eine Pflicht zur Vorlage von Dossiers gab es nicht.
  • Es war ausdrücklich der Wunsch des BAMF, in Fällen, bei denen die Frist für die Durchführung der Überstellung weniger als sechs Wochen betrug, von der Einreichung von Dossiers abzusehen.
  • Die Prüfung der Dossiers erfolgte im Referat für Qualitätssicherung des BAMF, die Absprache mit den Kirchen wurde vom BAMF ausdrücklich als Baustein der Qualitätssicherung seiner Bescheide bezeichnet.
  • In vielen Fällen kam es zur direkten Kommunikation zwischen kirchlichen Ansprechpersonen und Mitarbeiter*innen des BAMF, Nachfragen konnten persönlich besprochen werden.
  • Die Quote der Fälle, in denen das BAMF aufgrund der dargelegten Härtegründe vom SER Gebrauch machte, war sehr hoch.


3. Die einseitigen Veränderungen des ursprünglich Abgesprochenen durch das BAMF

Im Jahr 2016 erfolgte eine interne Veränderung der Zuständigkeit für die Dossierverfahren im BAMF: Die Zuständigkeit für die Prüfung der Dossiers ging vom Referat für Qualitätssicherung auf das Dublin-Referat DU1 in Nürnberg über. Dieses Referat steuert die Dublin-Verfahren und stand damals bereits unter erheblichem politischen Druck, die Zahl der Dublin-Abschie-bungen zu steigern. Die Folgen waren:

  • Die Quote der Verfahren, in denen das BAMF vom SER Gebrauch machte, ging rapide zurück.
  • Seitens des BAMF wurde den kirchlichen Ansprechpersonen nicht mehr der/die Sachbearbeiter*in mitgeteilt mit der Konsequenz, dass ein direkter Kontakt nicht mehr möglich war.
  • Die Anforderungen des BAMF an eingereichte medizinische Atteste bzw. Gutachten wurden stetig erhöht. Nur noch ausführliche fachärztliche Atteste und Gutachten genügen mittlerweile den Kriterien. Diese im Kirchenasyl innerhalb kurzer Zeit einzuholen (im Fall psychischer Erkrankungen sind ausführliche Gespräche unter Beteiligung von Dolmetscher*innen erforderlich) gestaltet sich äußerst schwierig bis unmöglich.


4. Weitere Verschärfungen durch den Beschluss der Innenministerkonferenz im Juni 2018

Anfang Juni 2018 beschäftigte sich die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern (IMK) mit dem Kirchenasyl in Dublinfällen. In einem erst später veröffentlichten Beschluss der Konferenz heißt es, dass die Personen im Kirchenasyl vom BAMF künftig als „flüchtig“ angesehen werden können, obwohl den Behörden zu jedem Zeitpunkt ihr Aufenthaltsort bekannt ist. Dies soll laut IMK gelten, wenn

  • bei der Meldung des Kirchenasyls nicht die zuständige kirchliche Ansprechperson namentlich benannt wird, oder
  • das Dossier nicht innerhalb eines Monats nach Beginn des Kirchenasyls vorgelegt wird, oder
  • das Dossier abgelehnt wurde und die im Kirchenasyl befindliche(n) Person(en) dieses nicht innerhalb von drei Tagen verlassen.

Definiert das BAMF eine Person als „flüchtig“, wird die Frist für ihre Abschiebung in ein anderes europäisches Land von sechs auf 18 Monate verlängert. Es liegen allerdings bereits mehrere Entscheidungen von Verwaltungsgerichten vor, die dieses Vorgehen des BAMF für rechtswidrig erklären.

5. Zur Kritik an mangelnder Dossiervorlage

In der Öffentlichkeit wird den Kirchen kritisch vorgehalten, sich nicht an das vereinbarte Verfahren zu halten und in zu wenigen Fällen Dossiers vorzulegen. Dazu nehmen wir wie folgt Stellung:

  • Die Schwierigkeit, aussagefähige, fachärztliche Atteste zu erhalten, verschärft sich durch die Monatsfrist zur Vorlage des Dossiers. Selbst regulär gesetzlich Versicherte warten oft länger auf Termine bei Fachärzten.
  • In einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle ist der Überstellungsfrist kürzer als sechs Wochen, in diesen Fällen hatte das BAMF die Kirchen ausdrücklich darum gebeten, von Dossiers abzusehen.
  • Da humanitäre Härten, die noch vor zwei Jahren selbstverständlich zu einem SER geführt hätten, mittlerweile vom BAMF regelmäßig als unerheblich angesehen werden und die Entscheidungskriterien des BAMF nicht transparent sind, fühlen sich immer mehr Gemeinden außerstande, die erforderlichen Belege für die humanitären Härten zu beschaffen.
  • Viele Ablehnungen des SER durch das BAMF haben aus unserer Sicht in ihrer Begründung eine unvoreingenommene ernsthafte Neubetrachtung der dargestellten Fälle unter humanitären Gesichtspunkten vermissen lassen. Wir bitten das BAMF darum, sich bei künftigen Entscheidungen über eingereichte Dossiers konsequent an den Belangen der Humanität im Einzelfall zu orientieren.
  • Wir regen an, zu der 2015 getroffenen, ursprünglichen Vereinbarung zurückzukehren und die Prüfung der Dossiers wieder dem Referat für Qualitätssicherung zuzuordnen.

Grundsätzlich sind wir daran interessiert, dass es weniger Kirchenasyle gibt. Deshalb versuchen wir kontinuierlich, im Dialog mit der Politik und den staatlichen Behörden die Ursachen von Kirchenasyl zu beseitigen. Wir erwarten von den politisch Verantwortlichen, uns durch die Rückkehr zu einer besonnenen, rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden und an den Men-schenrechten orientierten Flüchtlingspolitik dabei zu unterstützen.

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland
Evangelische Kirche im Rheinland
Evangelische Kirche der Pfalz
Lippische Landeskirche
Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck: Bischof Dr. Martin Hein teilt die Position dieses Papiers und setzt sich in seiner Kirchenleitung für eine entsprechende Unterstützung ein.
Darmstadt, Hamburg, Düsseldorf, Speyer, Detmold, Kassel
Stand: 6.9.2018

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