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Wächtersbach

Hunderte Menschen bei Mahnwache für niedergeschossenen Eritreer

Stefanie BockMahnwache, Stolz mit Mikrofon, im Hintergrund Menschen mit Plakaten "Kain Platz für Hass + Gewalt"Landrat Thorsten Stolz (links) neben Pfarrerin Beate Rilke.

Mehrere Hundert Menschen haben sich am Dienstagabend in Wächtersbach zu einer Mahnwache für den 26 Jahre alten Eritreer versammelt, der dort am Montag mit Schüssen lebensgefährlich verletzt worden war. Mit Schildern und Plakaten setzten sie am Ort des Verbrechens ein eindrucksvolles Zeichen gegen Rassismus, Hass und Gewalt.

Die Teilnehmer zeigten sich schockiert und betroffen über den nach Erkenntnissen der Ermittler eindeutig fremdenfeindlich motivierten Anschlag. Zu der Mahnwache unter dem Motto „Kein Platz für Rassismus” hatten die Stadt Wächtersbach, der Main-Kinzig-Kreis und die Kirchen kurzfristig auf Facebook eingeladen.

Fassungslos über Hasskommentare im Internet

Der Bürgermeister von Wächtersbach, Andreas Weiher (SPD), sagte, ein weiteres Mal sei nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke aus Gedanken eine Tat geworden, „die uns erschüttert”. Er beklagte eine „neue Qualität von gelebtem Rassismus” und äußerte sich fassungslos über die „400 Hass- und Hetzkommentare” im Internet. Die Verfasser hätten keinen Respekt vor einem Menschenleben und träten das Grundgesetz mit Füßen. In Anspielung auf einen Bericht des Hessischen Rundfunks, der mutmaßliche Täter habe die Tat in seiner Stammkneipe angekündigt und anschließend davon erzählt, sagte Bürgermeister Weiher: „Nehmt die Signale ernst, nehmt sie wahr!” Die Botschaft dieser Mahnwache könne nur lauten: „Wir sind stärker und wir bleiben stark.”

Mahnung für Toleranz, Achtung und Menschlichkeit

Der Landrat des Main-Kinzig-Kreises, Thorsten Stolz (SPD), begrüßte die Versammelten als „liebe Freunde der Demokratie und der Freiheit”. Alle seien aufgerufen, angesichts bedrohlicher gesellschaftlicher Entwicklungen Verantwortung zu übernehmen. „Wir müssen für eine Gesellschaft wirken, die von Toleranz, Achtung und Menschlichkeit geprägt ist”, sagte er. Allen, die die gesellschaftlichen Grundwerte mit Füßen träten, rufe man zu: „Ihr seid nicht Deutschland! Wir werden nicht zulassen, dass ihr die Oberhand gewinnt.” Die schreckliche Tat sei eine Mahnung, wachsam zu sein und jeder Form von Menschenverachtung von Anfang an entgegenzutreten.

Kraft der Gemeinschaft

Pfarrerin Beate Rilke von der evangelischen Kirchengemeinde Wächtersbach, die für alle Kirchengemeinden der Stadt sprach, beschwor die Kraft der Gemeinschaft. „Ich habe keine Angst, weil wir hier alle zusammenstehen”, sagte sie. „Es ist an uns allen, klar in unseren Aussagen zu sein”, appellierte sie und sagte: „Man tötet keinen Menschen. Punkt.”

Die Tat

Der junge Eritreer, der mit Lebensgefährtin und Kind in Wächtersbach lebt, war am Montag aus einem Auto heraus angeschossen worden, mutmaßlich von einem 55-jährigen deutschen Staatsangehörigen aus dem benachbarten Biebergemünd. Weil Passanten rasch die Rettungskräfte verständigten und das Opfer notoperiert wurde, konnte sein Leben gerettet werden. Der mutmaßliche Täter konnte zunächst fliehen und erschoss sich in Biebergemünd in seinem Fahrzeug, wo er von Polizeibeamten aufgefunden wurde.

Fremdenfeindliches Motiv

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt geht „ganz klar von einem fremdenfeindlichen Motiv aus”. Oberstaatsanwalt Alexander Badle teilte am Dienstag in einer Pressekonferenz mit, das Opfer sei aufgrund seiner dunklen Hautfarbe ausgesucht worden. Der mutmaßliche Täter sei bisher noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Neben den beiden halbautomatischen Tatwaffen seien zwei Pistolen und zwei Gewehre sichergestellt worden. Alle soll der Sportschütze legal besessen haben. Die Beamten fanden auch einen Abschiedsbrief, zu dessen Inhalt sich Badle nicht äußerte.

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