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Kirchenasyl

Iman darf bleiben

Silke Rummel

Kirchenasyl ist die letzte Zuflucht vor der drohenden Abschiebung. Im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald wurde im vergangenen halben Jahr zwei Männer Kirchenasyl gewährt. Das in Niedernhausen ist nun beendet. Es war eine gute Erfahrung – auch für die Gemeinde.

Mojtaba Javanmardie steht in seinem Ausweis, aber alle nennen den jungen Iraner Iman. Eine große Last ist von ihm abgefallen, er darf sich wieder frei bewegen. „Ich hatte viel Angst“, sagt der 26-Jährige. Die Abschiebung ist aufgehoben, Iman darf vorerst in Deutschland bleiben. Am ersten Tag seiner Freiheit ist er mit Pastor Jonathan in die christlich-persische Gemeinde nach Darmstadt gefahren. Ein ungewohntes, schönes Gefühl.

Am 18. November 2014 floh Iman ins Kirchenasyl

Nach der Dublin-III-Regelung sollte Iman nach Italien abgeschoben werden, dem ersten europäischen Land, dessen Boden er nach seiner Flucht aus dem Iran betreten hat. Am 18. November 2014 floh Iman ins Kirchenasyl, er lebte im Gemeindehaus in Niedernhausen, bewegte sich nur noch im kleinen Radius zwischen Gemeindehaus, Pfarrhaus und Kirche. Die Bibel beruhigte ihn, das tägliche Gebet. Die Unterstützung aus der Kirchengemeinde gab ihm Halt und Kraft. 

Wegen seines Glaubens verfolgt

Im Iran hat die Polizei Iman verfolgt, weil er kein Moslem ist. Als evangelischer Christ durfte er nicht in die Kirche gehen, er wäre sonst sofort verhaftet worden. Um zu erzwingen,  dass Iman sich stellt, nahm die Polizei seinen Vater fest. Vier Monate saß der Vater in Haft. Als die Behörden merkten, dass sie nichts erreichen, ließen sie ihn wieder frei. Sein Onkel gab ihm Geld, Iman floh per Flugzeug aus dem Iran nach Italien. Dort versteckte er sich zwei Monate im Keller eines Hauses. Am 18. Dezember 2013 kam er schließlich in Deutschland an. Ein Schlepper brachte ihn von Italien aus hierher, in einem ganz normalen Auto, zusammen mit zwei Frauen und einem anderen Mann. Als sie um Mitternacht am Hauptbahnhof in Frankfurt ankamen, hieß der Schlepper die Flüchtlinge auszusteigen, und weg war er. Ein anderer Onkel, der in Darmstadt lebt, holte ihn ab und brachte ihn in die Erstaufnahmeeinrichtung nach Gießen. Von dort aus kam Iman in die Flüchtlingsunterkunft nach Eppertshausen und dann nach Steinau. Dort lebte er acht Monate, dann kam das Schreiben mit der Ausreiseaufforderung. 

Die Weltpolitik in Fischbachtal

„Auf einmal zieht die Weltpolitik hier in Fischbachtal ein“, sagt Pfarrvikarin Annika Fröhlich. Bereits im Oktober wurde die Kirchengemeinde Niedernhausen angefragt, ob sie bereit wäre, Kirchenasyl zu gewähren. Der Kirchenvorstand fasste den Beschluss, Iman im Kirchenasyl aufzunehmen. Ehrenamtliche bereiteten die Unterkunft vor.  Verschiedene Stellen wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Regierungspräsidium Darmstadt und die lokale Ausländerbehörde wurden über das Kirchenasyl informiert.   

Ehrenamtliche installierten Sat-Schüssel und machten Imans Wäsche

In den folgenden Monaten besuchten die Ehrenamtlichen  Iman, kauften für ihn ein, machten seine Wäsche, installierten eine Sat-Schüssel für den Fernseher, spendeten Geld für den Anwalt. Er konnte das Internet im Pfarrhaus nutzen, um mit seiner Familie zu telefonieren. Hans Jung, ein pensionierter Lehrer unterrichtete ihn fast täglich in Deutsch, sodass Iman sich nach so kurzer Zeit flüssig verständigen kann. Silvester wurde im Gemeindehaus gefeiert. Mehr als einmal kochte Iman für seine Freunde. Im Iran hat sein Vater ein Restaurant, in dem er immer mithalf. „Ich bin froh, dass ich hier bin“, sagt der junge Mann. „Sie haben mich alle sehr unterstützt.“ Bei Veranstaltungen im Gemeindehaus gesellte er sich dazu, besuchte jeden Sonntag den Gottesdienst, ging auch sonst oft alleine in die Kirche, wenn sie offen war. Im April, wenn seine acht Monate alte Kusine getauft wird, möchte Iman sich auch taufen lassen.  

Eine gute Erfahrung – auch für die Gemeinde

Bewegende Zeiten auch für Annika Fröhlich, die zu Beginn des Kirchenasyls noch kein Jahr als Pfarrvikarin in der Kirchengemeinde Niedernhausen war. Sie habe das Gefühl gehabt, das Richtige zu tun, sagt sie, aber auch das Wissen, dass es Neuland ist „und mit viel, viel Verantwortung verbunden“.  Anders als in Groß-Umstadt, entschied sich die Kirchengemeinde für ein stilles Kirchenasyl. Will heißen: Dass Iman im Gemeindehaus ein Zimmer bezogen hatte, drang zu seinem Schutz nicht an die breite Öffentlichkeit. „Man sagt ja immer, die Kirche wird von Ehrenamtlichen getragen – das ist so: Ohne sie wäre das Kirchenasyl nicht möglich gewesen“, sagt die Pfarrvikarin. „Alle Lorbeeren gebühren den Menschen um Stefanie Steinert.“„Für die Gemeinde war das bestimmt auch eine gute Erfahrung“, sagt Stefanie Steinert vom Arbeitskreis Asyl, der mit Beginn des Kirchenasyls entstanden ist und dem auch Kirchenferne angehören. Die beiden Jungs von Stefanie Steinert warten an diesem Nachmittag draußen im Garten und können es kaum abwarten, dass Iman kommt, um mit ihnen Fußball zu spielen. Im Iran war er Kapitän einer Fußballmannschaft. Er sei gleich aufgenommen worden, gerade auch von den Älteren, sagt Stefanie Steinert.  

Iman träumt davon in Niedernhausen bleiben zu können

Imans Traum wäre, in Niedernhausen zu bleiben – sein Onkel und seine Tante suchen hier eine Wohnung, haben aber noch nichts gefunden – und eine Ausbildung als Schweißer oder Automechaniker zu machen. Sein Lieblingsauto? „BMW“, antwortet Iman prompt. Niedernhausen ist für ihn zur zweiten Heimat geworden. „Meine Familie ist im Iran“, sagt er, „aber ich habe viele Brüder und Schwestern in Deutschland.“

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Silke Rummel

 

 

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