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Familiennachzug

Jeder Mensch hat ein Recht auf Familie

Pamela Balladares

Barbara Lueken berät als Verfahrensberaterin im Evangelischen Zentrum Am Weißen Stein in Frankfurt am Main und als ehrenamtliche Asyl-Expertin bei Amnesty International Geflüchtete, die von ihren Familien oft jahrelang zwangsweise getrennt leben. Anlässlich des Internationalen Tags der Familie, Samstag, 15. Mai, berichtet die Diplom-Pädagogin, wie bürokratische Hürden das Recht auf ein Familienleben vor allem für subsidiär geschützte Flüchtlinge einschränken.

Der subsidiäre Schutz greift ein, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.

Wie geht es den getrennten lebenden Familien?

Lueken: Der Prozess der Familienzusammenführung ist langwierig. Es können Jahre vergehen bis eine Entscheidung gefällt wird. Dazu kommt noch die Dauer des Asylverfahrens von bis zu fünf Jahren, während der ein Familiennachzug ausgeschlossen ist. Das ist zermürbend und lässt viele Familien verzweifeln. Hinzu kommt die Angst um die zurückgebliebenen Familienmitglieder, die sich noch in den Herkunftsländern, in Lagern oder auf der Flucht befinden. Ich erinnre mich an eine afghanische Klientin, deren Schwester mit vier minderjährigen Geschwistern von Afghanistan in die Türkei geflüchtet war, wo sie in sehr unsicheren Verhältnissen lebten und sexueller Belästigung ausgesetzt waren. Meine Klientin war verzweifelt, weil sie ihre Familie nicht schützen konnte. Ich vermittelte ihnen die Adresse von Menschenrechtsorganisationen in der Türkei, um zumindest dort um Schutz bitten zu können.

Welche Hindernisse erleben Geflüchtete beim Familiennachzug?

Lueken: Vor allem für Menschen mit subsidiärem Schutz gestaltet sich der Familiennachzug schwierig. Anders als anerkannte Flüchtlinge haben sie kein Recht auf Familiennachzug; von 2016 bis 2018 war er für Menschen mit diesem Status sogar vollständig ausgesetzt. Seitdem dürfen zwar wieder Familienangehörige subsidiär Schutzbedürftiger nach Deutschland einreisen, allerdings nur, wenn sie bestimmte Voraussetzungen, wie beispielsweise eine konkrete Gefährdung im Herkunftsland, nachweisen können. Das Kontingent ist aber bundesweit auf 1.000 Menschen pro Monat beschränkt und wird aktuell aufgrund behördlicher Verzögerungen nicht voll ausgeschöpft. Auffallend ist auch, dass seit der Gesetzesänderung vor allem Menschen aus Syrien und Eritrea subsidiären Schutz erhalten.

Welche konkrete Unterstützung bieten Sie in der Beratung an?

Lueken: Unser Fachdienst bietet Beratung bei Familienzusammenführung nicht explizit an. Trotzdem begegnen mir bei meiner Arbeit häufig Klient:innen, die den Wunsch nach Familienzusammenführung äußern. Ich helfe ihnen dann zum Beispiel bei der Vermittlung an geeignete Beratungsstellen sowie bei der Beantragung von finanziellen Hilfen. Für DNA-Tests, Reisen und Beurkundungen entstehen hohe Kosten, die die Geflüchteten häufig nicht selbst tragen können. Meine Hilfe richtet sich aber auch an die noch im Heimatland oder in einem Drittstaat lebenden Verwandten, die Termine zur Antragsstellung auf ein Visum vereinbaren möchten. Viele berichten von Problemen mit den lokalen Behörden oder Wartezeiten bei den deutschen Botschaften von weit über einem Jahr. Sie versuche ich zu unterstützen, indem ich Kontakte zu entsprechenden Nichtregierungsorganisationen oder Rechtsanwälten vermittele.

Was muss passieren, um die Situation der geflüchteten Familien zu verbessern?

Lueken: Jeder Mensch hat ein Recht auf Familie. Damit dieses Recht nicht länger eingeschränkt wird, müssen drei zentrale Punkte umgesetzt werden: Subsidiäre Geflüchtete müssen die gleichen Rechte wie anerkannte Flüchtlinge erhalten, das Verfahren für den Familiennachzug muss vereinfacht und vor allem beschleunigt werden. Außerdem sollten minderjährige Geschwisterkinder ebenfalls einen Anspruch auf Familiennachzug erhalten.

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