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Offener Brief an die Landesregierung

Keine Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten!

bbiewFlüchtlinge vor ihrer Unterkunft in Alsbach-Sandwiese. Die Diakonie Hessen pocht auf eine unvoreingenommene Prüfung der Asylanträge unabhängig vom Herkunftsland.

Die Diakonie Hessen hat sich in einem offenen Brief gegen das Konzept der sogenannten sicheren Herkunfsstaaten ausgesprochen. Gemeinsam mit anderen Organisationen richtet sich der Appell an die hessische Landesregierung, im Bundesrat gegen den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zu stimmen.

Diakonie Hessen

Die Diakonie Hessen hat am 9. August gemeinsam mit zahlreichen weiteren Verbänden und NGOs den Offenen Brief „Keine Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten“ an den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Staatsminister Tarek Al-Wazir, die Staatsministerin Priska Hinz, den Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration Kai Klose sowie an die Mitglieder der Landtagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN adressiert.

Die Diakonie Hessen ist grundsätzlich gegen das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten und folglich gegen die Einstufung von Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten. 

Text des offenen Briefes im Wortlaut:

Offener Brief: Keine Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 18.07.2018 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Einstufung von Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als sog. sichere Herkunftsstaaten verabschiedet. Da die Verabschiedung dieses Gesetzesvorhabens letztlich von der Zustimmung des Bundesrats abhängen wird, kommen wir mit unserem Anliegen auf Sie zu.

Die unterzeichnenden Verbände und NGOs lehnen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich ab. Wir sehen darin eine massive Aushöhlung des Grund- und Menschenrechts auf Asyl sowie des individuellen Rechts auf eine unvoreingenommene und herkunftslandunabhängige Prüfung der Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern.

Eine pauschale Einstufung der vier genannten Länder als sog. sichere Herkunftsstaaten und der damit einhergehenden Regelannahme, dass dort keine Verfolgung, Diskriminierung oder Unterdrückung stattfänden, ist aufgrund der realen Situation vor Ort nicht gerechtfertigt. Denn nachweislich werden Menschen dort weiterhin aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder politischen Überzeugung diskriminiert und verfolgt. Darüber hinaus gibt es fundierte Indizien für die Anwendung von Folter und die Praxis des Menschenhandels.

Aus mehreren Gründen widerspräche eine Einstufung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten damit den hohen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil am 14.05.1996 definiert hat. Danach muss in sicheren Herkunftsstaaten landesweit und für alle Personen und Bevölkerungsgruppen die Sicherheit vor politischer Verfolgung gewährleistet sein und es darf keine Folter oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung drohen.

Zudem widerlegen die signifikant hohen bereinigten Schutzquoten des ersten Quartals 2018 die Annahme, es handele sich a priori um sichere Länder. So lag die Anerkennungsquote für Marokko bei 10,2 %, für Algerien bei 6,8 %, für Tunesien bei 5,5 % und für Georgien bei 2,9 %. Damit liegt die Anerkennungsquote für drei der vier vorgesehen Staaten eindeutig über der 5%-Hürde aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD, die zudem regelmäßig unterschritten werden müsse, damit eine (politische) Grundlage für eine Einstufung als sicheres Herkunftsland angenommen werden könne.

Darüber hinaus handelt es sich zahlenmäßig um eine insgesamt überschaubare Gruppe: Aus den vier Staaten kamen von Januar bis Juni 2018 bundesweit nur knapp 5 % aller Flüchtlinge.

Vor diesem Hintergrund begrüßen die Unterzeichner die öffentlichen Stellungnahmen sowohl der Grünen-Bundestagsfraktion als auch der Fraktionen der Grünen aus jenen anderen Bundesländern, in denen eine grüne Regierungsbeteiligung besteht, die – mit Ausnahme von Baden-Württemberg – bereits erklärt haben, dem Gesetzentwurf in Bundestag und Bundesrat u. a. aus oben dargestellten Gründen nicht zuzustimmen.

Wir appellieren daher an Sie als Mitglied der Landesregierung bzw. der Grünen Landtagsfraktion und Teil der Regierungskoalition in Hessen, dem Vorhaben zur Einstufung der Maghreb-Staaten und Georgiens als sog. sichere Herkunftsstaaten eine klare Absage zu erteilen und damit eine Zustimmung Hessens im Bundesrat zu verhindern.

Für Gespräche stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

• Diakonie Hessen
• Der PARITÄTISCHE Hessen
• AWO Hessen-Süd
• Amnesty International Deutschland
• Hessischer Flüchtlingsrat
• PRO ASYL
• Caritasverband für die Diözese Limburg
• Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen (agah) –
  Landesausländerbeirat

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