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Bei bestimmten Fluchtgründen ist die Aussicht auf Erfolg gut

Mehrere Frankfurter Gemeinden betreuen derzeit Geflüchtete im Kirchenasyl

BAG Asyl in der Kirche

Ein Bett, ein Schrank, ein Sofa, ein Fenster mit Ausblick auf Alt-Bornheim und die Johanniskirche: Gemütlich und zweckmäßig hat die Gemeinde Bornheim diesen besonderen Raum im Gemeindehaus eingerichtet. Für den jungen Mann aus Äthiopien, der im Moment dort wohnt, ist der Raum aber nicht nur einer zum Wohnen, sondern auch ein Schutzraum. Er lebt dort seit einigen Wochen im Kirchenasyl. Es ist bereits das achte Kirchenasyl in den Räumen der Bornheimer Gemeinde.

wikimedia/CC BY-SA 3.0Johanniskirche in Frankfurt Bornheim

„Wir haben gute Erfahrungen gemacht und konnten vielen Menschen helfen“, sagt Pfarrer Matthias Weber. Es habe sich ein engagiertes Team aus Ehrenamtlichen gebildet, die sich um die Geflüchteten in den Gemeinderäumen kümmern, erzählt Weber. Zuvor war hier einer Mutter und ihrer Tochter aus Afghanistan Unterkunft gewährt worden, bis sie nach sechs Monaten einen Asylantrag in Deutschland stellen konnten. „Der Umgang mit Fremden und die Hilfe für Menschen in Not gehört schließlich zum Kern des kirchlichen Selbstverständnisses“, sagt Weber.

Auch andere Gemeinden in Frankfurt und Offenbach haben Flüchtlingen auf diese Weise geholfen, derzeit gibt es noch drei weitere Gemeinden, die Menschen im Kirchenasyl beherbergen. Jeder Fall ist anders und ein Einzelfall. In ganz Deutschland zählte die ökumenische Arbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ im Dezember 2020 295 Kirchenasyle, unter den 507 Personen waren 99 Kinder. Die allermeisten Fälle, nämlich 282, sind sogenannte Dublin-Fälle, das heißt, sie sind über einen anderen europäischen Staat nach Deutschland eingereist und können hierzulande daher erst mal keinen Asylantrag stellen, sondern sollen nach Italien oder Griechenland zurückkehren.

Auch der jetzige Schutzsuchende aus der Kirchengemeinde Bornheim ist ein „Dublin-Fall“. Er sei aus Gründen geflüchtet, die in einigen europäischen Ländern als Asylgründe anerkannt sind, allerdings nicht in Italien, dem Land, über das er in die Europäische Union eingereist ist, berichtet Pfarrer Weber. Weitere Details möchte er zum Schutz der Privatsphäre nicht nennen. Ulrich Schaffert, Pfarrer in der Frankfurter Nordweststadt, erzählt noch ein anderes Beispiel. In seiner Gemeinde war ein afghanisches Ehepaar mit einem Baby im Kirchenasyl, das über Kroatien nach Deutschland gekommen war. „Dort haben sie mehrere sogenannte Push-Backs erlebt, das heißt, sie wurden gewaltsam und rechtswidrig nach Bosnien zurückverfrachtet und dort im Wald ausgesetzt. Dorthin zurückgeschickt zu werden, wäre für sie ein Albtraum!“

Vor wenigen Wochen gab es in Sachen Kirchenasyl eine gute Nachricht: Seit Januar können Dublin-Flüchtlinge wieder nach sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland einen Asylantrag stellen. Diese Frist hatten die Innenminister vor zwei Jahren auf 18 Monate erhöht, was eine erhebliche Mehrbelastung bedeutete, nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Gemeinden, die ein Kirchenasyl begleiteten. Das Bundesverwaltungsgericht hatte diese Verschärfung vorigen Juni für unrechtmäßig erklärt, mit der Neuregelung hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dieses Urteil nun auch umgesetzt.

„Wir haben uns sehr gefreut, als wir das gehört haben“, sagt Matthias Weber. Denn es erhöht die Chancen, dass auch der Mann aus Äthiopien in absehbarer Zeit in Deutschland Asyl beantragen darf. „Kirchenasyl ist kein Sonderrecht, sondern ein zeitlich begrenzter Schutzraum, der geflüchteten Menschen in besonderen Härtefällen von Kirchengemeinden gewährt wird“, erläutert Pfarrer Schaffert, der auch stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Flüchtlingsrates ist. „Es soll eine eingehende Einzelfallprüfung ermöglichen, bei der die besonderen humanitären Härten berücksichtigt werden.“ Und wie finden Geflüchtete überhaupt den Weg in ein Kirchenasyl? „Wir organisieren das über die Sozialberatung für Migranten und Flüchtlinge im Haus am Weißen Stein“, sagt Matthias Weber. In dem evangelischen Beratungszentrum in Frankfurt-Eschersheim gebe es eine lange Liste an Menschen, die Bedarf haben. Für ein Kirchenasyl kämen Menschen in Frage, die mit besonderen persönlichen Härten kämpfen und darum realistische Erfolgschancen bei einem Asylantrag nach dem Ablauf der sechs Monate haben.

Hintergrund
Die Kirche ist kein rechtsfreier Raum. Staatlicherseits können die Geflüchteten juristisch betrachtet aus den Gemeindehäusern abgeholt werden mit dem Ziel der Abschiebung. Das geschieht jedoch in der Regel nicht, da Staat und Kirche 2015 übereingekommen sind, der Staat toleriert grundsätzlich das Kirchenasyl, die Pfarrer*innen wiederum verpflichten sich, jeden Fall zu melden und nur Menschen aufzunehmen, denen besondere Härten drohen.

Weitere Informationen zum Kirchenasyl

Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“:
www.kirchenasyl.de

Verein mAqom – Kirche und Zuflucht e.V.: https://maqom.de/aktuelles/

Die Beispiele entstammen der aktuellen Ausgabe des Evangelischen Frankfurt und Offenbach, Autorin: Anne Lemhöfer

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