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Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl

Soziale Teilhabe, Flüchtlinge, Familie

bbiew

Bezahlbarer Wohnraum, Integration von Flüchtlingen, gebührenfreie Kindertagesstätten – über diese und andere Themen diskutierten und stritten Sascha Bahl (Die Linke), Christine Lambrecht (SPD), Dr. Michael Meister (CDU) und Moritz A. Müller (Bündnis 90/Grüne) einen Monat vor der Bundestagswahl auf Einladung des Evangelischen Dekanats Bergstraße.

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Zur Podiumsdiskussion hatte das Dekanat die Bergsträßer Direktkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien in dier Bensheimer Stephanusgemeinde eingeladen. Rund 130 Besucher wollten genauer erfahren, was die Politiker zu sagen haben.

„Soziale Teilhabe, Flüchtlinge und Familie sind unsere Schwerpunkthemen, mit denen sich das Dekanat in die gesellschaftliche Debatte einmischt“, sagte Dekan Arno Kreh, der die Podiumsdiskussion moderierte. Den Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau und die weitgehend folgenlose Mietpreisbremse beklagte Björn Metzgen-Meuer. Der Leiter des Zentrum des Wohnsitzlosenhilfe des Diakonischen Werks Bergstraße führte in das Thema Wohnungsnot ein.

Christine Lambrecht betonte, dass vom Bund mit 1,5 Milliarden Euro an die Länder für den Wohnungsbau geflossen seien. Die Mittel hätten sich damit verdreifacht. Zugleich beklagte die SPD-Politikerin die fehlenden Kontrollmöglichkeiten bei der Mietpreisbremse.

Dies habe der Koalitionspartner CDU/CSU  verhindert. Für Dr. Michael Meister ist die Schaffung von Bauland die entscheidende Herausforderung. Der CDU-Politiker appellierte an die Bevölkerung, sich nicht gegen die Ausweisung neuer Baugebiete zu stemmen. Auch müsse kritisch hinterfragt werden, ob die Auflagen für das Bauen nicht zu hoch seien.

Nach Ansicht von Moritz A. Müller sind pro Jahr 100.000 neue Sozialwohnungen nötig. Dafür stehe nicht ausreichend Fläche zur Verfügung. Deshalb müsse in die Höhe gebaut werden, so der Grünen-Politiker. Sascha Bahl von den Linken sprach sich für eine Ankurbelung des sozialen Wohnungsbaus aus und verwies auf Nachbarländer wie Österreich, wo es auch in Ballungszentren wie Wien ausreichend bezahlbaren Wohnraum gebe.

Armut und Tafel

Die Tafeln beurteilten die Kandidaten unterschiedlich. Während Dr. Meister meinte, er habe Zweifel, dass die Tafel jemals überflüssig werden, forderte Lambrecht „andere Lösungen“, damit Menschen von ihrem Einkommen leben könnten. Ein erster Schritt sei der gesetzliche Mindestlohn. Weitere Schritte müssten folgen wie die von der SPD geforderte Solidarrente, um Altersarmut zu verhindern. Meister betonte, dass das größte Armutsrisiko die Arbeitslosigkeit sei. „Die haben wir in den letzten zehn Jahren halbiert“, so der CDU-Politiker. Müller von den Grünen plädierte dafür über  ein „neues Sozialsystem nachzudenken“, während der Linken-Politiker Bahl das neo-liberale Wirtschaftssystem für Armut verantwortlich machte „Der große Niedriglohnsektor schafft soziale Ungleichheit und produziert Tafeln.“

Integration und Fluchtursachen

In das Thema Integration von Flüchtlingen führte die Ausbildungsbegleiterin an der Heinrich Metzendorf Schule in Bensheim, Marion Runkel, ein. Aus ihren Erfahrungen in der Schule schwebt über Geflüchteten trotz erfolgreicher Ausbildung das Damoklesschwert der Abschiebung. Sie forderte ein Bleiberecht und die Möglichkeit des Familiennachzugs. Dr. Michael Meister erklärte, dass die bestehende Regelung, wonach Geflüchtete für drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Berufstätigkeit bleiben können, ausreichend sei. „Wir dürfen kein Signal setzen, dass alle zu uns kommen können. Sie sollen vielmehr einen Beitrag leisten, dass in ihren Heimatländern die Verhältnisse besser werden. Zugleich verteidigte Meister, das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte.

Christine Lambrecht sprach sich dafür aus, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Kritik am EU-Türkei-Abkommen wies sie zurück. „Dieses Abkommen hat nichts damit zu tun, Flüchtlinge von Europa fernzuhalten. Es geht darum für die Geflüchteten bessere Lebensbedingungen in der Türkei zu schaffen. Müller und Bahl betonten, dass Europa mitverantwortlich für die Fluchtbewegungen sei. „Wir exportieren Waffen und befeuern damit Konflikte, vor denen Menschen fliehen,“ sagte Müller. Bahl pflichtete ihm bei und erklärte: „Das Elend klopft an unsere Tür. Und daran sind wir nicht ganz unschuldig." Dekan Kreh bekam von den Politikern keine Widerrede, als er das Kirchenasyl verteidigte: „Angesichts der Probleme bei den Asylverfahren, bei denen zum Teil ohne Anhörung entschieden werde, ist das Kirchenasyl ein Mittel, um Bescheide nochmals auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.“

Familien und Kita-Gebühren

Zur Einführung in das Thema Familie fragte der Viernheimer Pfarrer Markus Eichler die Kandidaten, ob sie sich für eine gebührenfreie Kindertagesstätten etwa nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz einsetzen wollen. Die Gebührenfreiheit in Rheinland-Pfalz habe Hessen über den Länderfinanzausgleich finanziert, konterte Dr. Michael Meister und ließ eine deutliche Distanz zu gebührenfrei Kita erkennen „Sollen die Steuerzahler auch die Betreuung von Kindern aus reichen Familien finanzieren?“, fragte der CDU-Politiker. Für die Gebührenfreiheit sprach sich dagegen Lambrecht aus. Die Familien sollen selbst entscheiden, wie sie ihr Leben gestalten. Die Politik schafft nur die Rahmenbedingungen. Wir wollen die gebührenfrei Kita für unter und für über Dreijährige.“ Bahl beklagte, dass derzeit nach dem „Verursacherprinzip“ verfahren werden. „Wer Kinder habe, müsse zahlen „Jeder sollte sich künftig  an der Finanzierung der Kinderbetreuung beteiligen“ forderte der Linken-Politiker, während Moritz A. Müller feststellte, dass Gebührenfreiheit mehr Geld für die Kommunen erfordere.

Sonntagsschutz und Sonntagsarbeit

„Da können wir ja froh sein, dass wir alle einer Meinung sind“, sagte Sascha Bahl augenzwinkernd, als die Diskussionsrunde zum Sonntagsschutz abgeschlossen wurde. Alle Kandidaten sprachen sich gegen eine weitere Liberalisierung der verkaufsoffenen Sonntage aus. Michael Meister bezweifelte sogar, ob die in Hessen möglichen vier verkaufsoffenen Sonntage überhaupt sinnvoll seien. „Für Sonntagsöffnungen braucht man einen Anlass wie Feste oder Märkte. Ob man in unseren Kommunen tatsächlich vier Anlässe im Jahr hat, darüber muss man nachdenken.“

Ampel zeigt grün, gelb, rot

Als hilfreich bei der Diskussion erwies sich die aufgestellte Ampel. Hielten die Kandidaten ihre Redezeit ein, zeigte sie grün. Bei Überschreiten sprang sie zunächst warnend auf gelb und zeigte dann mit rot unmissverständlich das Ende des Debattenbeitrags an. Das Publikum hatte sich zahlreich mit schriftlichen Fragen an der Diskussion beteiligt. Sie wurden vom Präses des Evangelischen Dekanats Dr. Michael Wörner und Fachreferentin Sabine Allmenröder gesammelt, gebündelt und vorgetragen. Dekan Kreh dankte abschließend allen, „die sich Gedanken machen, wie es weitergeht in unserer Gesellschaft.“

 

Die Podiumsdiskussion war Teil der Reihe „GlaubenLebenFragen“, mit der das Evangelische Dekanat das Gespräch mit engagierten Christen und Verantwortungsträgern aus Kirche und Gesellschaft sucht.

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