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Flüchtlingspolitik

Im Mittelpunkt muss der Mensch stehen, nicht die Bürokratie

Diakonie HessenIm Panoramasaal der Evangelischen Akademie Frankfurt diskutierten die hessischen Landtagskandidat*innen über ihre Ideen einer zukünftigen Flüchtlingspolitik.

Der Panoramasaal der Evangelischen Akademie Frankfurt war gut gefüllt. Rund 150 Menschen folgten der spannenden und zuweilen hitzigen Debatte der hessischen Landtagskandidat*innen über ihre Ideen einer zukünftigen Flüchtlingspolitik. Aber nicht nur die politischen Vertreter*innen kamen zu Wort, gezielte Fragen aus der Praxis stellten Mitarbeitende der Diakonie, der Parität, des Flüchtlingsrates und Betroffene.

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Diakonie HessenEs diskutierten (v.r.): Gerhard Merz (SPD), Dieter Kellermann (FDP), Janine Wissler (Die Linke), Moderator Pitt von Bebenburg, Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU) und Marcus Bocklet (Bündnis 90/Die Grünen).

 

Ein Abend, der allen Anwesenden deutlich machte: Bei der Flüchtlingspolitik geht es immer um Menschen und um viel Bürokratie, nicht immer um Gerechtigkeit und Humanität. Begrüßt wurden die Gäste von Studienleiter Dr. Eberhard Pausch und Andreas Lipsch, Interkultureller Beauftragter der hessen-nassauischen Landeskirche, die zu einer respektvollen Diskussion einluden, die von Pitt von Bebenburg von der Frankfurter Rundschau souverän moderiert wurde.

Umstrittenes Thema: Rückkehrberatung

Bei der Diskussion machten die Vertreter*innen der Fraktionen keinen Hehl aus der Stoßrichtung ihrer politischen Anliegen. Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU), Mitglied im Hessischen Landtag (MDL), propagierte die Beschleunigung der Verfahren und die Rückkehrberatung als sinnvolle Einrichtung; er räumte ein, dass letztere nicht vor der Asylverfahrensberatung stattfinden sollte. Landtagsabgeordneter Gerhard Merz (SPD) befürwortete ein Einwanderungsgesetz und eine unabhängige Asylverfahrensberatung sowie eine sozialraumorientierte Migrationsberatung. FDP-Integrationspolitiker Dieter Kellermann unterstützte die Aussagen des SPD Kollegen und forderte eine Bleibeperspektive für Menschen, die im beruflichen Umfeld Fuß gefasst haben, mithin einen „Spurwechsel“.

Regelfinanzierung der Flüchtlingsberatung notwendig

Marcus Bocklet, sozialpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, setzte sich für eine Regelfinanzierung und einen nachhaltigen Ausbau der Infrastruktur ein. Er sprach sich für eine Fortschreibung des 2015 beschlossenen „Hessischen Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ aus.

Eindrücklich schilderte Fraktionsvorsitzende Janine Wissler (Die Linke) die Situation Geflüchteter und rief zu einem Umdenken in der Flüchtlingspolitik auf. „Es geht nicht um Aktenzeichen, sondern um Frauen, Männer, Familien und Kinder“, betonte die Politikwissenschaftlerin. Sie warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft, die Flüchtlinge zu Sündenböcken mache für Probleme, die bisher unter den Teppich gekehrt würden.

BAMF-Bescheide oft rechtswidrig

Anschließend kamen Fachleute und Betroffene zu Wort. Diskutiert wurde auch über die umstrittene staatliche Rückkehrberatung, die oftmals schon vor der Anhörung stattfinde, so Dr. Ines Welge vom Hessischen Flüchtlingsrat, und nicht freiwillig sei. Im Blick auf die Situation afghanischer Asylsuchender in Deutschland schilderte Ramin Mohabat, Journalist aus Afghanistan, seine Erfahrungen bei der Asylanhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Obwohl er alle notwendigen Dokumente vorgelegt hatte, nahm das BAMF diese nicht zu den Akten und begründete die anschließende Ablehnung seines Asylantrags mit nicht vorliegenden Belegen. Er wies darauf hin, dass derzeit etwa die Hälfte aller negativen Bescheide afghanischer Asylsuchender durch Verwaltungsgerichte korrigiert werden.

Über den großen Beratungsaufwand, den die schwerverständlichen und oft rechtswidrigen Bescheide mit sich bringen, berichtete Hildegund Niebch, Referentin für Flucht und Integration bei der Diakonie Hessen. Kirsten Langmaack, Leiterin der Flüchtlingsunterkunft Bonames der Diakonie Frankfurt, machte auf die fehlenden hessenweiten Mindeststandards und Gewaltschutzkonzepte für Flüchtlingsunterkünfte aufmerksam.

Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert

Beim geforderten Abschiebestopp nach Afghanistan stimmten bis auf den CDU-Abgeordneten Bartelt alle Diskutanten zu. Afghanistan sei nicht sicher, hier ließ auch Gerhard Merz den deutlichen Unterschied zur Bundespolitik der SPD erkennen.

Janine Wissler kritisierte die unmenschliche Situation von Menschen ohne sicheren Status. „Diese Menschen leben in dauerhafter Angst, dass man sie auch nach vielen Jahren noch über Nacht abholt und abschiebt“, so Wissler. Das widerspreche der Idee des „Ankerns“: Ankommen, Einleben, zur Schule gehen, einen Beruf ergreifen und bleiben können.

Eingeladen zur Diskussion hatten die Diakonie Hessen, die Evangelische Akademie Frankfurt, der Paritätische Hessen, der Evangelische Regionalverband Frankfurt und der Hessische Flüchtlingsrat.

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