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Lauf der Verrückten

100 Kilometer in 24 Stunden

Erika von Bassewitz

„Lauf der Verrückten“ nennt sich die Aktion der Heliand-Pfadfinderschaft, und zumindest ein bisschen verrückt muss man wirklich sein, um gegen zwei Uhr morgens auf einem dunklen Parkplatz im Spessart zu einer 100-Kilometer-Wanderung durch den Wald nach Frankfurt aufzubrechen.

Erika von Bassewitz

„Lauf der Verrückten“ nennt sich die Aktion der Heliand-Pfadfinderschaft, und zumindest ein bisschen verrückt muss man wirklich sein, um gegen zwei Uhr morgens auf einem dunklen Parkplatz im Spessart zu einer 100-Kilometer-Wanderung durch den Wald nach Frankfurt aufzubrechen. Immerhin, die meisten der 75 Teilnehmer tragen Stirnlampen, deren Licht sich in den reflektierenden Wegweisern am Waldrand spiegelt. 

„Verbessern kann man das nur noch mit Rolltreppen.“

„Wir haben uns in einer Bierlaune mal gefragt, wie weit man denn wandern kann, “ erzählt Kai Kramer-Knell, der zum dritten Mal an der 100-Kilometer-Tour teilnimmt. Zunächst sind die Freunde um den Edersee gelaufen, erst 42, dann 70 Kilometer. 2011 hat sein Freund Steffen Lenz im Internet die Veranstaltung der Pfadfinder entdeckt. „Die Orga ist unglaublich,“ schwärmt auch Lenz. „Verbessern kann man das nur noch mit Rolltreppen.“

Neues Ziel ist der Frankfurter Goetheturm

Den Projektkoordinator Steffen Hild freut das, aber er gibt ehrlich zu:„ Wir machen diesen Lauf seit zwanzig Jahren, da mussten wir nur die Strecke einmal vorher mit dem Fahrrad abfahren und die Wegweiser kontrollieren.“ Jeder Teilnehmer erhält eine laminierte Wanderkarte, bei Streckenänderungen müssen alle 100 Karten neu erstellt werden. „Der Weg endet in diesem Jahr zum ersten Mal am Frankfurter Goetheturm, das ist einfach schöner, “ erklärt der erfahrene Pfadfinder. Für ihn als Kartographen ist das Ändern der Strecke kein Problem. Auch ernsthafte Verletzungen gab es bislang keine. „Blasen und Mückenstiche sind das Schlimmste. Und Regen, dabei friert man aber nur, wenn man stehen bleibt. Das ist so eine Kopfsache.“

Aufgeben oder Müsliriegel?

Hild weiß immer, wo die Wanderer sind. Ungefähr jedenfalls. Bei jeder der 13 Stationen müssen sie sich in die Listen ein- und wieder austragen. Wer nicht mehr weiterlaufen will oder kann, hat dort die Möglichkeit, sich nach Hause fahren zu lassen. Neben Bierbänken, Müsliriegeln und Ersatzstiefeln warten auch Busse auf die Teilnehmer.

Partnervermittlung für die Motivation

Wenn nötig, vermittelt Hild auch neue Wanderpartner, die Teilnehmer mit Motivationsschwäche wieder animieren. Nach zehn Stunden und mehr als vierzig Kilometern sind nur zwei abgesprungen. „Man kommt viel weiter, als man denkt, “ erklärt Lenz. „ Und die Motivation der anderen zieht einen mit.“

Zahlen oder mitlaufen

Dabei geht es bei dem Lauf um mehr als Ehrgeiz: Jeder Läufer soll sich Sponsoren suchen, die pro Kilometer einen Euro spenden. Das gesammelte Geld geht an PROCEDI, einem Verein, der mittellosen Kindern aus den Slums von Guatemala-City Schulstipendien und Patenschaften vermittelt. Die Spendenalgorithmen erstellen die Teilnehmer und ihre Sponsoren allerdings selbst: Manche zahlen erst ab fünfzig gelaufenen Kilometern, andere bei maximal 20 Stunden oder mindestens 24 Stunden Wanderzeit. „Viele Kollegen wollten eh einen Teil des Gehalts spenden, “ erzählt Lenz. „Ich sag immer: Zahlen oder mitlaufen.“ Im letzten Jahr kamen so 3.860 Euro zusammen, im Rekordjahr 2010 waren es 8.906,77 Euro.

Die Siegerin läuft Marathon

Kurz vor 23 Uhr laufen die ersten Beiden im Ziel ein. Hild und seine Kollegen feiern sie mit gelbem Kreppband, einer Fackel und Sekt. Aber der interessiert Deborah Dittmar (18) und Andreas Fischer (26) nicht so sehr wie der bequeme Sitz im Bus. 20 Stunden und vierzig Minuten waren sie unterwegs, als Marathonläuferin und Bergsportler hatten sie gute Voraussetzungen. Normalerweise schaffen es rund 15 Teilnehmer ins Ziel, in diesem Jahr sind es 21. Lenz und Kramer-Knell gehören dazu. 23 Stunden haben sie für die 100 Kilometer gebraucht.

Rekord: 10 x 100 Kilometer
Der Hamburger Marian Barschel kommt regelmäßig ins Ziel: Er ist in zehn Jahren tausend Kilometer beim Lauf der Verrückten gelaufen. 

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