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20 Jahre ökumenisches Engagement in der GfA Ingelheim

Das Leid der Menschen in der Abschiebehaft im Fokus

M.BönningDiese von Häftlingen der "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige" (GfA) gestalteten Kartons machten in Ingelheim auf den interaktiven Stand der ökumenischen Beratung für Menschen in der Abschiebehaft aufmerksam.

„Auf der Suche nach einem Ort, wo ich hingehöre, wo ich ich selbst sein kann, ohne viel zu erklären.“ Rückblick auf die Veranstaltungen zum 20-jährigen Jubiläum des ökumenischen Engagements in der Abschiebungshaft Ingelheim.

M.BönningDer evangelische Flüchtlingsseelsorger Uwe Rau, seine katholische Kollegin Evi Lotz-Thielen und Denise Honsberg-Schreiber von der Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werks Rheinhessen machten mit einem Infostand auf das Leid der in der GfA Inhaftierten aufmerksam.

„Auf der Suche nach einem Ort, wo ich hingehöre, wo ich ich selbst sein kann, ohne viel zu erklären.“ – Rückblick auf die Veranstaltungen zum 20-jährigen Jubiläum des ökumenischen Engagements in der Abschiebungshaft Ingelheim

Uns allen sind die dramatischen Bilder aus Kabul bekannt. Tausende Menschen in Panik und voller Verzweiflung, deren letzte Hoffnung es ist, in eines der Flugzeuge zu gelangen, welche diese raus aus Afghanistan und in Sicherheit vor den Taliban bringen. Vor dem Hintergrund dieser katastrophalen Situation ist es wohl keine Frage mehr, dass der Abschiebestopp von Flüchtlingen nach Afghanistan nur wenige Tage vor der Eskalation eine Fehlentscheidung der Bundesregierung war.

„Seit vielen Jahren fordern wir einen Abschiebungsstopp in Krisenregionen wie Afghanistan“, erzählt Denise Honsberg-Schreiber vom Diakonischen Werk Rheinhessen und zuständig für die Beratung in der sogenannten „Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige“, kurz GfA, in Ingelheim. Anfang des Jahres setzte sie sich mit anderen Mitstreiter*innen öffentlich für eine generelle Aussetzung der Abschiebungen während der Coronapandemie ein. „Es könne nicht sein, dass wir hier zum Schutz der Bevölkerung Sicherheitsregeln und Hygienebestimmungen einführen. Gleichzeitig aber andere Menschen in die überfüllten Flüchtlingslager an den europäischen Grenzen oder in in andere Länder zurückschicken, in denen ihnen Gewalt, Verfolgung, existentielle Notlagen und medizinische Unterversorgung drohen“, äußerte sich Denise Honsberg-Schreiber damals verärgert.

Wie groß die Ängste, die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung der abschiebepflichtigen Menschen sind, nehmen die Mitarbeitenden des ökumenischen Beratungsprojekts in der Abschiebungshaft in Ingelheim immer wieder wahr. Sie hören hin, bieten Inhaftierten Beratung und Seelsorge an und setzen sich von Beginn des Engagements an für die Verbesserung der Haftbedingungen ein. Das 20-jährige Bestehen des ökumenischen Beratungsprojekts nahmen Denise Honsberg-Schreiber, Evi Lotz-Thielen, katholische Seelsorgerin und Uwe Rau, evangelischer Pfarrer, weniger als Gelegenheit zum Feiern, als um mit zwei Veranstaltungen das Bewusstsein für das Thema in der Öffentlichkeit zu stärken.

Beim Gottesdienst in der Versöhnungskirche standen die sogenannten „ausreisepflichtigen“ Menschen im Mittelpunkt. „Den Menschen in Haft eine Stimme zugeben, auch wenn Sie nicht hier sein können, obwohl sie nur wenige Meter entfernt sind“, erklärte Lotz-Thielen ihre Motivation für diesen Gottesdienst. In einem Rollenspiel mit Uwe Rau stellte sie anschaulich die Situation einer geflüchteten Frau dar, welche von Abschiebung bedroht ist. Aussagen von Menschen über ihr Erleben auf der Flucht, vom Abschied von Familienangehörigen und dem Zuhause, von der gefährlichen Flucht, dem Ankommen in Deutschland und dem vorläufigen Ende jeder Hoffnung in der Abschiebungshaft wurden durch Mitwirkende wiedergegeben. Währenddessen wurden Teelichter, welche vorher von den Inhaftierten während der Gottesdienste in der Abschiebungshaft angezündet wurden, wieder gemeinschaftlich zum Leuchten gebracht.

„A place where I am known. Where I can be myself without much explainining. A place where I belong.“ Diese Zeilen sind Teil eines Liedes von Judy Bailey, ursprünglich gesungen auf dem Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt in Bezug auf die Flüchtlinge im Mittelmeer. Es beschreibt die Suche nach einem sicheren Ort und die große Sehnsucht nach einem Zuhause. Da Judy Bailey beim Gottesdienst nicht anwesend sein konnte, erklang das bewegende Lied von einer Stimme aus dem „Off“. Da Handys in der Abschiebungshaft verboten sind, war die Kollekte zum Schluss des Gottesdienstes für den Kauf von Telefonkarten bestimmt, um den Inhaftierten die einzige Möglichkeit für Kontakte nach außen zu gewährleisten.

Knapp eine Woche später boten die drei Verantwortlichen mit einem interaktiven Infostand an einem gut besuchten Samstagmorgen auf dem Sebastian-Münster-Platz in Ingelheim die Möglichkeit ins Gespräch zu kommen. Zudem gab es rund um den Stand mehrere Installationen zu verschiedenen Aspekten der Abschiebungshaft. So konnten z.B. auf von Inhaftierten gestalteten Kartons die Lebensgeschichten der Betroffenen nachgelesen werden. Der Alltag in der Abschiebungshaft wurde eindrücklich mit verschiedenen Gegenständen in geöffneten Koffern gezeigt.  

Als Fazit resümierte Denise Honsberg-Schreiber, dass „die Veranstaltungen wichtig und notwendig waren, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie für das Thema zu sensibilisieren.“ „Eine Inhaftierung ist immer ein tiefer Eingriff in die Freiheitsrechte der Betroffenen. Es ist zudem ein Verstoß gegen EU-Recht, denn Abschiebungshaft soll demnach nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Stattdessen wird die Abschiebungshaft überwiegend zur effektiveren Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängt und in der Regel nicht aufgrund von Straftaten.“  Denise Honsberg-Schreiber plädiert daher für einen Verzicht auf Abschiebungshaft. Diese sei grundsätzlich nicht mit den Freiheitsrechten vereinbar.

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