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Mitgliederversammlung

Diakonie-Chef stärkt einkommensschwachen Menschen den Rücken

Arno F. Kehrer/DWHNDer hessische Diakonie-Chef Wolfgang Gern

Manche Entscheidungen von Politik und Justiz wirken sich unmittelbar auf das Leben und den Geldbeutel jedes einzelnen aus, das spüren vor allem Menschen, die von Niedriglöhnen oder Hartz IV existieren müssen. Auch Notleidende und Flüchtlinge sind stark betroffen.

Ein Grund für den hessischen Diakonie-Chef Pfarrer Dr. Wolfgang Gern, die aktuellen sozialpolitischen Entwicklungen unter die Lupe zu nehmen. Anlass war die Mitgliederversammlung der Diakonie Hessen in der Melsunger Stadthalle Mitte November 2014. Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. September, wonach die „Hartz IV“-Leistungen bedauerlicherweise gerade noch als verfassungsgemäß erklärt worden seien, sagte Gern: „Ein kleiner positiver Aspekt in diesem Urteil sind die Nachbesserungen, die das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber fordert: mehr finanziellen Spielraum beim Regelsatz, damit Betroffene Unterdeckungen ausgleichen können; extreme Preissteigerungen wie bei den Stromkosten müssten zeitnah ausgeglichen werden; die Fahrten von Kindern zum Sportverein müssen künftig erstattet werden. Nun wollen wir, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben auch macht – und werden die einzelnen Schritte im Auge behalten.“

Verbesserungsbedarf: Programme für Langzeitarbeitslose

Weiter sagte der Vorstandsvorsitzende: „Das Sozialbudget ist grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Bei der neuen Landesregierung hat soziale Arbeit wieder einen etwas höheren Stellenwert. Wichtige Forderungen der Diakonie werden aufgegriffen – etwa die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle oder die Förderung von Frauenhäusern. Auch die Aufstockung des Sozialbudgets ist sehr zu begrüßen.“ Allerdings warnte Gern auch vor zu großer Euphorie. Die Einsparungen, die die Hessische Landesregierung mit ihrer „Operation sichere Zukunft" vor zehn Jahren vorgenommen hätte, würden nicht vollständig ausgeglichen. Das Land weigere sich, die Mittel zu dynamisieren, wodurch Tarifsteigerungen zu Entlassungen führen müssten. Die angekündigten Programme für langzeitarbeitslose Menschen entsprächen nicht den Vorschlägen der Diakonie. Auch seien die Sozialverbände nach wie vor nicht in die Planungen des Sozialbudgets einbezogen worden, kritisierte Gern.

Finanzielle Mittel für Flüchtlinge

Als zentrale Themen der nächsten Jahre nannte Gern die Fragen von Flucht und Migration. „Angesichts von erneuten Schiffskatastrophen im Mittelmeer mit über 700 Toten allein in einer Woche im September 2014 brauchen wir dringend legale und unbürokratische Zugangswege nach Europa“, forderte er.

Außerdem sagte er: „Dass das Hessische Ministerium für Soziales und Integration die Landkreise und Kommunen diesbezüglich finanziell besser ausstatten will, ist dringend nötig und zu begrüßen. Die zusätzlichen Mittel sollten aber mit Standards verbunden werden, etwa zur Unterbringung oder im Hinblick auf die soziale Betreuung. Das Engagement der vielen Ehrenamtlichen ist bewundernswert. Sie werden den langen Atem, den sie für diese Arbeit brauchen, nur aufbringen, wenn es ausreichend hauptamtliche Unterstützung und Begleitung gibt“, sagte Diakonie-Chef Gern.

Migranten sind auch Steuerzahler

Peter Masuch, Präsident des Bundessozialgerichts in Kassel, sagte in seinem Impulsvortrag „Willkommenskultur in Deutschland – Was bedeutet das für die Sozialpolitik?“: „Der soziale Rechtsstaat mit seinen verbürgten Menschenrechten ist die Basis unserer Willkommenskultur. Es ist nicht damit vereinbar, Arbeitsmigranten zu demütigen, auszubeuten oder zu betrügen.“ Gegen eine weitere Öffnung Deutschlands für Flüchtlinge werde fälschlicherweise häufig eingewandt, diese wanderten als Kostgänger des Wohlfahrtsstaates ein. Masuch rechnete dagegen vor: „Die Ergebnisse der Sozialforschung zeigen, dass auch Migranten erheblich zum Steueraufkommen und zur Finanzierung der sozialen Sicherung beitragen: Im Durchschnitt der OECD-Länder zahlten Haushalte mit Migranten als Haushaltsvorstand in den Jahren zwischen 2007 und 2009 etwa 5.000 Euro mehr, als sie bekamen.“

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