Pflichtverteidigung gefordert
Diakonie Hessen beklagt erneut mangelnde Rechtsstaatlichkeit in der Abschiebungshaft
Jana Müller-Detert25.05.2023 bj Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
In einem Positionspapier richteten mehr als 50 unterzeichnende Organisationen diese Forderung bereits an die politische Ebene, bislang ohne Erfolg. So verwies etwa der Bundesjustizminister Buschmann darauf, dass die Möglichkeit der Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung im Wege der Verfahrenskostenhilfe ausreiche. Dass diese Möglichkeit in Wirklichkeit nicht ausreicht, wurde im Forum aufgezeigt. In der Diskussion ging es vor allem darum, wie es nun mit der Forderung weitergehen kann.
Inhaftierungen häufig rechtwidrig und grundrechtsverletzend
Die Freiheitsentziehung stellt einen sehr schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar. Jedoch kommt es im Bereich Abschiebungshaft immer wieder und sehr häufig zu rechtwidrigen und grundrechtsverletzenden Inhaftierungen. So waren von den 254 Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in den Jahren zwischen 2015 und 2022 zum Gebiet der Abschiebungshaft durchschnittlich 60,9 Prozent rechtswidrig. Im Durchschnitt waren die Menschen 38,5 Tage zu Unrecht in Haft. Diese Zahlen veranschaulichen den regelrechten Justizskandal.
Anwaltliche Vertretung zwingend notwendig
Die Rechtsmaterie ist hochkomplex, was mit der Situation der Gefangenen kollidiert, die das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand nicht verstehen und überblicken können. Gegenüber der Behörde, welche die Haft beantragt, sind sie offensichtlich in einer unterlegenen Position. Das ist mit dem Grundsatz der „Waffengleichheit“ und dem Grundsatz des fairen Verfahrens nicht vereinbar. Damit sich Gefangene aus dieser unterlegenen Position heraus wirklich wirksam verteidigen können, ist eine anwaltliche Vertretung also unbedingt notwendig.
Pflichtverteidung noch vor der Anhörung notwendig
Aufgrund der essenziellen Bedeutung der gerichtlichen Anhörung bedarf es bereits einer Pflichtverteidigung noch vor der Anhörung, wie es in Strafsachen auch üblich ist. Die Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung im Wege der Verfahrenskostenhilfe, worauf Bundesjustizminister Buschmann verweist, schafft keine wirksame Abhilfe. Verfahrenskostenhilfe beinhaltet zwar die Übernahme der Kosten anwaltlicher Vertretung durch den Staat, wenn sie gewährt wird. Sie wird jedoch nur gewährt, wenn die Rechtsverteidigung eine Aussicht auf Erfolg hat.
Ohne anwaltliche Unterstützung kaum Erfolgsaussichten
Aufgrund der Komplexität des Abschiebungshaftrechts können Gefangene die Erfolgsaussicht jedoch nicht ohne anwaltliche Unterstützung darlegen. Anwält:innen müssen also zunächst in Vorleistung treten (z.B. Akteneinsicht nehmen, Begründungen schreiben etc.), ohne vorher zu wissen, ob sie dafür bezahlt werden. Das erschwert den Zugang zu anwaltlicher Vertretung in der Praxis enorm und führt letztlich dazu, dass sich die Menschen im Rahmen der essenziell wichtigen gerichtlichen Anhörung ohne anwaltliche Vertretung verteidigen müssen.
Beschämend für unseren Rechtsstaat
Dass so etwas in einem Land geschieht, welches sich selbst als Rechtsstaat versteht, sei höchst beschämend, so Stefanie Dorn, Referentin für Flucht und Integration und Beraterin für Inhaftierte in der Abschiebungshaft Darmstadt-Eberstadt bei der Diakonie Hessen. Mit einem fairen Verfahren und Waffengleichheit der Parteien vor Gericht habe das nichts zu tun. Daher bedürfe es endlich der Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung vor der gerichtlichen Anhörung.
Positionspapier zur Pflichtverteidigung ab dem Moment der Festnahme
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