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Familiennachzug

Die Trennung überwinden - Familien gehören zusammen

iStock/Rawpixel

Anlässlich des Internationalen Tags der Familie der Vereinten Nationen am 15. Mai fordert die Diakonie, das Grundrecht auf Familieneinheit für Flüchtlingsfamilien vollumfänglich zu gewährleisten. Daher unterstützt die Diakonie Hessen zusammen mit mehr als 200 anderen Organisationen und etlichen Bürgermeister*innen den Aufruf „Familien gehören zusammen“ (#familiengehörenzusammen).

Die Einheit der Familie ist verfassungsrechtlich in Art. 6 Grundgesetz geschützt. Geflüchtete Menschen, denen Schutz in Deutschland zum Beispiel aufgrund politischer Verfolgung zugesprochen wurde, haben daher das Recht, ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder nachzuholen, wenn die Zusammenführung der Familie nur in Deutschland möglich ist.

Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, merkt dazu an: „Für viele ist eine Rückkehr z.B. nach Syrien, Somalia, Eritrea oder Afghanistan gar nicht mehr vorstellbar, da ihre Lebensgrundlagen zerstört wurden und ihre engsten Familienmitglieder in Nachbarländer weitergeflohen sind. Dort warten sie zum Teil jahrelang in prekären Verhältnissen, um endlich wieder mit den Vätern oder Müttern, die schon in Deutschland leben, zusammen zu kommen.“ Zwar gäbe es den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie, dennoch führten langwierige Verwaltungsverfahren zu jahrelangen Trennungen.

„Immer wieder erleben wir in unseren Beratungsstellen, wie wichtig die Familienzusammenführung auch integrationspolitisch ist. Wer in Sorge um zurückgelassene Ehefrauen und Kinder lebt, wer am Telefon immer wieder gefragt wird: ‚Wann können wir zu Dir kommen?‘, der kann sich nur schlecht auf einen Deutschkurs konzentrieren oder die Arbeitsaufnahme in den Fokus seines Lebens stellen“, so Tag weiter. Deshalb werde es Zeit, dass die Familienzusammenführung endlich vollumfänglich gewährleistet wird.

Bürokratische Hürden verhindern schnelle Hilfe
Anhand eines Praxisbeispiels wird die bürokratische Hürde deutlich:
Herr B musste 2011 aus Somalia flüchten. Seine Frau war damals mit dem jüngsten Kind schwanger. In Deutschland erhielt er 2018 den subsidiären Schutz und beantragte Visa zum Familiennachzug für seine Ehefrau und die Kinder. Der kleine Sohn war mittlerweile schwer krank, nach einer Maserninfektion hatte er eine Gehirnhautentzündung entwickelt. Im Juli 2018 teilte die Deutsche Botschaft mit, es handele sich nicht um einen eilbedürftigen Härtefall. Ein Transport des kranken Kindes sei zu aufwendig und es solle zunächst in Nairobi behandelt werden, bis es ihm bessergehe. Doch die Familie hatte kein Geld, um die nötige Behandlung privat zu finanzieren. Herr B hatte in Deutschland die Sprache gelernt, eine Wohnung gefunden und eine unbefristete Anstellung. Aber sein Einkommen reichte gerade für den Lebensunterhalt der Familie, die für das Visumverfahren nach Kenia hatte reisen müssen, nicht für die nötigen teuren Therapien. Der Botschaftsarzt bestätigte, dass das Kind in Lebensgefahr war. Doch die Botschaft blieb hart, ließ die Visaanträge liegen und im November 2019 starb das Kind. Die Botschaft übermittelte der Familie ihr „herzliches Beileid“. Doch auch eineinhalb Jahre später steht die Entscheidung über die Visaanträge der Mutter und der noch lebenden Kinder aus. Die Trennung vom Ehemann und Vater dauert mittlerweile 10 Jahre.

Die Diakonie Hessen berät und unterstützt geflüchtete Familien in allen regionalen Diakonischen Werken. Sie hilft Flüchtlingsfamilien auch finanziell bei den Kosten der Zusammenführung. Allein im letzten Jahr wurden 82 Familien mit insgesamt mehr als 45.203.30 EUR unterstützt. Für diese Arbeit ist die Diakonie Hessen weiterhin auf Spenden angewiesen.

Hintergrund
Zum Teil verhindern trotz Rechtsanspruch bürokratische Hürden ein Zusammenleben sogar gänzlich:

  • Für schutzberechtigte Flüchtlinge, die nicht nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 anerkannt wurden, aber dennoch nach europäischen Regelungen einen Schutzstatus erhalten haben, wurde das Grundrecht kontingentiert. Sie müssen warten, bis sie einen Platz im Kontingent von monatlich 1.000 Visa zum Familiennachzug bekommen. Aufgrund der unzureichenden Ausstattung der Auslandsvertretungen, der langen Abstimmungswege mit den Ausländerbehörden wurde dieses Kontingent in den vergangenen Monaten nicht einmal ausgeschöpft.
  • Flüchtlingskinder, die ohne ihre Eltern in Deutschland leben und Schutz bekommen, können nur ihre Eltern, nicht aber ihre Geschwister nachholen. In der Praxis bedeutet dies, dass die Eltern entscheiden müssen, ob sie ihr Kind in Deutschland oder die Kinder im Herkunftsland alleine lassen oder sich trennen. Die Familieneinheit kann ohne das Recht, auch die Geschwister nachholen zu können, nicht hergestellt werden.
  • Die Pandemie hat zusätzlich dazu geführt, dass Auslandsvertretungen geschlossen wurden bzw. nur eingeschränkt arbeiten. Die Zahl der Visa zur Familienzusammenführung geflüchteter Menschen hat sich daher halbiert. Digitale Wege, die vielfach im Zuge der Pandemie erprobt wurden, werden im Visumsverfahren nicht genutzt.

Flüchtlinge haben zumeist auch nicht die Mittel, die hohen Kosten der Familienzusammenführung zum Beispiel für Pässe, Visa, notwendige Dokumente oder den Flug, zu tragen. Sozialrechtlich ist zur Umsetzung des Rechtes auf Familienzusammenführung weder ein Zuschuss noch Darlehen vorgesehen, sodass eine Zusammenführung am Geld scheitern kann.

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