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Blog aus Lesbos - Teil 2

Die zwei Gesichter Europas

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Eine sechsköpfige Gruppe unter Leitung der Pfarrerin für Friedensarbeit in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Sabine Müller-Langsdorf hält sich zurzeit auf der griechischen Insel Lesbos auf. Sie informiert sich dort über die Situation der Flüchtlinge nach dem Abkommen zwischen der EU und der Türkei und führt Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen, Flüchtlingsinitiativen und kirchlichen Vertretern. Berndt Biewendt schildert seine Eindrücke zur Lage vor Ort.

Bildergalerie

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„Wir sind aus dem Irak, aber wir sind keine Muslime. Wir sind Jesiden“, sagt der Mann auf Englisch vor einer Holzhütte. Sie dient ihm und seinem gehbehinderten, im Rollstuhl sitzenden Sohn als Quartier. „Family all…“ fügt er hinzu und streicht dann mit flacher Hand seinen Hals entlang. Seine Angehörigen wurden vom Islamischen Staat ermordet. Im Camp Pikpa auf der griechischen Insel Lesbos leben die Schwächsten und Schutzbedürftigsten unter den Flüchtlingen. Kranke Menschen, die auf ärztliche Behandlung angewiesen sind. Menschen mit Behinderungen, die Hilfe benötigen. Frauen mit einem neugeborenen Kind oder Frauen,  wie die syrische Mutter mit ihren sechs Kindern, die ihren Mann in den Wirren der Flucht aus den Augen verloren hat. Sie weiß, dass er es bis nach Deutschland geschafft hat. Ihr Antrag auf Familienzusammenführung aber geht und geht nicht voran.

Taschen aus Rettungswesten

„Was diese Menschen erlebt haben, ist so traurig. Es gibt so viele Tragödien“, sagt Efi Latsoudi. Sie hatte vor vier Jahren Pikpa gemeinsam mit anderen Freiwilligen als selbstorganisiertes Flüchtlingscamp gegründet, weil sie nicht mehr mitansehen wollte, dass Flüchtlinge schutzlos in den Straßen von Lesbos schlafen mussten. Derzeit leben 83 Flüchtlinge in dem Camp am Rande des Flughafens der Inselhauptstadt Mytilini. Für sie gibt es feste Zelte oder Hütten, die früher als Kinderferienlager genutzt wurden. Weil der Platz nicht reichte, bauten Freiwillige aus den Holzböden der Flüchtlingsboote neue Behausungen. Aus den Rettungswesten der Flüchtlinge werden derzeit Taschen gefertigt, die gegen eine Spende abgegeben werden. Und Rettungswesten gibt es auf Lesbos ohne Ende.

Die Menschlichkeit entdecken

Pipka bekommt keine staatliche Unterstützung und  ist allein auf Spenden angewiesen – Medikamente, Kleidung, Hygieneartikel und vor allem Essen und Trinken. „Es ist verrückt. Tag für Tag geben wir Essen an Bedürftige aus – an Flüchtlinge und Griechen, die nicht genug zum Leben haben. Doch an manchen Tagen komme ich nach Hause und merke, dass ich selbst nicht genug zu essen habe“, sagt Efi. Sie hatte hin und wieder für ein Projekt eine bezahlte Arbeit an der Universität von Lesbos oder bei Pro Asyl. Doch die meiste Zeit ist sie wie viele Griechen arbeitslos. Warum engagiert sie sich? Ihre Antwort: „Auf Lesbos kann man die zwei Gesichter Europas sehen. Das eine will die Flüchtlinge nicht haben, das andere entdeckt die Menschlichkeit“.

Wir sind nicht Papst

Die Flüchtlinge im – wie es von den Freiwilligen genannt wird – Pikpa Solidarity Camp können sich in und außerhalb des Lager frei bewegen. Was für ein Gegensatz zu den 2.000 Flüchtlingen, die im Camp Moria untergebracht sind. Dieses Flüchtlingslager ist von Mauern und Stacheldraht umgeben  und wird von Polizei und Militär bewacht. Es sieht nicht nur aus wie ein Gefängnis, es ist ein Gefängnis. Es ist jenes Flüchtlingslager, dass der Papst kürzlich besucht hatte. Doch wir sind nicht Papst – wir kommen in das Lager nicht hinein und die Flüchtlinge dürfen nicht hinaus. Sie können einen Asylantrag stellen. Wenn er abgelehnt wird, werden sie in die Türkei abgeschoben. So sieht es der so genannte EU-Türkei-Deal vor. Die Nichtregierungsorganisationen haben weder Kontakt zu den Flüchtlingen im Camp Moria noch zu den wenigen neuen Bootsflüchtlingen. Denn sie werden, sobald sie die Küste von Lesbos erreichen, sofort in Moria interniert.

Come together der Kulturen

Das Team von Pikpa will in diesem Jahr einen weiteren Schritt machen – von der Erstversorgung zur Integration der Flüchtlinge. Dazu wollen die Freiwilligen im Herzen der Altstadt von Mytilini ein Begegnungscafé einrichten, bei dem es nicht nur etwas zu essen oder trinken gibt. Vielmehr sollen die Flüchtlinge in Griechisch unterrichtet werden, mit Griechen in Kontakt kommen und möglicherweise eine Arbeitsperspektive entwickeln. Es geht – wie Efi sagt - um ein „come together“ verschiedener Kulturen. Das Gebäude stellt die Besitzerin zur Verfügung. Das Dach konnte bereits durch die Spende einer evangelischen Kirchengemeinde in Hamburg erneuert werden. Für die Sanierung und den Ausbau zu einem Begegnungscafé kalkuliert Pikpa mit 32.000 Euro. Und auch die sollen durch Spenden aufgetrieben werden.

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