Schwerin/Nordkirche
Erneuter Abschiebeversuch aus dem Kirchenasyl
citypraiser/PixabayDas Kirchenasyl bietet Schutz und schafft einen Ort, an dem die Geflüchteten durchatmen können. Meist liegen Jahre der Verfolgung, Flucht und Unsicherheit hinter den Menschen.20.12.2023 bj Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die Visumserteilung verzögerte sich allerdings massiv. Über ähnliche Fälle berichteten zuletzt immer wieder die Initiative „Kabul Luftbrücke“ und andere. Da das Leben der Familie in Afghanistan zusehends gefährdet war und sie dringend medizinische Behandlung benötigten, flohen sie in den Iran. Von dort aus gelangten sie mit einem spanischen Visum nach Europa.
Abschiebung würde zur Familientrennung führen
„Der Familie war eine Aufnahme in Deutschland zugesagt worden. Es ist ein Armutszeugnis für die Behörden, dass die Visa-Formalitäten viel zu schleppend angesichts der Lebensgefahr für die Familie bearbeitet worden sind“, kritisiert Pastorin Dietlind Jochims, Vorstandsvorsitzende der Ökumenschen Bundesarbeitsgemeinschat (BAG) Asyl in der Kirche. Jetzt abgeschoben werden sollten die beiden volljährigen Söhne der Familie, so dass es zudem noch zu einer Familientrennung gekommen wäre.
Vermehrt Angriffe auf das Kirchenasyl
In den letzten Monaten hat die BAG bundesweit einen Bruch von Kirchenasyl und mehrere Androhungen der Räumung erlebt. Die größte öffentliche Aufmerksamkeit erregte der Versuch der Ausländerbehörde Viersen in NRW, ein kurdisch-irakisches Ehepaar nach Polen abzuschieben. Die Abschiebung konnte durch breiten zivilgesellschaftlichen Protest abgewendet und das Kirchenasyl beendet werden. Auch im Schweriner Fall ist das Verhalten der Behörden paradox, kommentiert Pastorin Dietlind Jochims, Vorstandsvorsitzende der BAG: „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat selber festgehalten, dass eine Familientrennung hier vermieden werden soll. Außerdem ist das Kirchenasyl gebrochen worden, was dem bekundeten Respekt für diesen Schutzraum widerspricht.“
Familien gehören zusammen
Die beiden Söhne von Frau Y., die am 20. Dezember aus dem Kirchenasyl abgeschoben werden sollten, sind volljährig. Der gerade 18-jährige Sohn übernimmt Verantwortung für das alltägliche Leben der fünf weiteren Familienmitglieder, wo die stark traumatisierten und kranken Eltern dies nicht können. Der 22-jährige Sohn ist kognitiv eingeschränkt. In der sogenannten Dublin-III Vereinbarung gelten volljährige Kinder nicht als Kernfamilie. Wenn aber Familien gemeinsam migrieren, muss alles getan werden, damit sie zusammenbleiben können. Wir glauben, dass Menschen das Recht haben, zu migrieren, um ihr Leben und das ihrer Familien zu schützen und dass sie nicht gezwungen sein sollten, sich zwischen der Unterstützung und dem Zusammenleben mit ihren Familien zu entscheiden.
Kirchenasyl ist ein Schutzraum
Schutz bedeutet nicht nur, vor einer Abschiebung zu bewahren, deren Konsequenz unzumutbare Härte wäre. Schutz bedeutet auch, einen Ort zu schaffen, an dem die geflüchteten Kirchenasyl-Gäste endlich einen Ort zum Durchatmen finden. Meist liegen Jahre der Verfolgung, Flucht und Unsicherheit hinter den Menschen, die im Kirchenasyl aufgenommen werden. Die aktuellen Räumungsandrohungen und –versuche führen zu großer Verunsicherung unter Kirchenasyl-Gästen und Gemeinden. In einem Merkblatt für die Kirchenasylbewegung hat die BAG dazu vor einem Monat festgehalten: „Es trifft einzelne, aber gemeint sind wir alle.“
Einspringen, wenn der Staat ausfällt
Im Fall von Frau Y. ist augenscheinlich, dass es das Kirchenasyl nicht gebraucht hätte, wenn die deutschen Behörden ihre Arbeit gemacht hätten, so die BAG.
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hatte Frau Y. eine legale Einreise nach Deutschland zugesagt. Wie in so vielen weiteren Fällen hielt auch hier das Auswärtige Amt sein Versprechen nicht, besonders bedrohte Menschen aus Afghanistan zu evakuieren. Mit dem Kirchenasyl für Frau Y. und ihre Familie sprang die Kirchengemeinde dort ein, wo das Auswärtige Amt versagte. Anstatt mit einem Großaufgebot von Polizei und Feuerwehr in bundeslandübergreifender Kooperation anzurücken hätten sich die deutschen Behörden einfach bei Familie Y. entschuldigen können und Selbsteintritt im Dublin-Verfahren ausüben können.
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