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Blog aus Griechenland - Teil 2

Flüchtlinge in der Warteschlange

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Wie kann eine kleine Kirchengemeinde mit gerade mal 300 Mitgliedern, beschränkten personellen und finanziellen Mitteln Geflüchtete unterstützen? Allenfalls in ganz geringem Maße, mag man meinen. Die evangelische Gemeinde deutscher Sprache in Thessaloniki beweist Tag für Tag das Gegenteil.

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Von Berndt Biewendt

Bei Beginn der großen Fluchtbewegungen versorgte die Gemeinde die Flüchtlinge zunächst mit Lebensmitteln und Kleidern. Im Sommer 2016 hat sie das Projekt Folitsa, zu deutsch „Nestchen“, ins Leben gerufen. Sie mietete zwei Wohnungen an, die insgesamt fünf Flüchtlingsfrauen mit ihren Kindern ein Zuhause auf Zeit bieten. „Wir haben uns entschieden, allein reisende syrischen Frauen die Unterkünfte zur Verfügung zu stellen“, erklärt Dagmar Theodoridis. Die Deutsche ist mit einem Griechen verheiratet, lebt seit 19 Jahren in Thessaloniki und ist bei der deutschen evangelischen Gemeinde als – wie es offiziell heißt – Sozialassistentin tätig.

Das lange Warten zermürbt

„Die Frauen in unseren Unterkünften haben ein Anrecht auf Familienzusammenführung. Doch das dauert und dauert und zehrt an den Nerven der Frauen. Das lange Warten zermürbt“, betont Dagmar Theodoridis. Die Frauen, die jetzt bei Folitsa wohnen, waren zuvor in Idomeni – in jenem „wilden“ Flüchtlingscamp nahe Mazedonien, das nach der Grenzschließung im vergangenen Jahr vom griechischen Staat geräumt wurde. In Griechenland halten sie sich bereits seit mindestens anderthalb Jahren auf. Manche haben ihre Ehemänner, die es nach Deutschland und in einem Fall nach Österreich geschafft haben, seit Jahren nicht gesehen. Die Familienzusammenführung wird offenbar bewusst hinausgezögert. Die Ungewissheit, ob und wie es mit weitergeht, führt vermehrt zu psychischen Problemen.

Zerrissene Familien

Das bestätigt auch Paul Esser. Er kam als Freiwilliger aus Deutschland nach Griechenland und arbeitet jetzt als Sozialassistent für das Projekt Naomi, das ebenfalls von Deutschen initiiert wurde. Zurzeit können pro Monat rund 70 Menschen aus Griechenland zu ihren Familien nach Deutschland reisen. Anspruch darauf haben aber mehr als 4.000  „Man kann sich ausrechnen, wie lange es dauern wird, bis die Familien wieder vereint sind und was das für die Betroffenen bedeutet“, sagt Paul Esser. Naomi hat für Geflüchtete und mit Geflüchteten eine Textilwerkstatt eingerichtet.

Geflüchtete nähen bei Naomi

Flüchtlinge - Frauen wie Männer – nähen dort aus gespendeten Textilien, Altkleidern oder Wolldecken, die aus dem aufgelösten Lager Idomeni stammen, neue Kleider, Taschen und Schürzen, die gegen eine Spende erhältlich sind. „Wir sprechen hier nicht so sehr über ihre Probleme. Wir reden miteinander, wir lachen miteinander und das wirkt manchmal wie eine Therapie“, sagt Elke Wollschläger, die die Werkstatt leitet. Die Textilingenieurin lebt seit 33 Jahren in Griechenland und betont: „In der Nähwerkstatt arbeiten in erster Linie Flüchtlinge, die in Griechenland bleiben. Für sie ist es eine Möglichkeit hier eine reguläre Arbeit zu finden.“ Das größte Problem dabei seien die mangelnden und gar nicht vorhandenen Griechischkenntnisse.

Idomeni als Schlüsselerfahrung

Trotz Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit engagieren sich nach wie vor auch viele Griechen für Flüchtlinge. Zu den größeren Organisationen gehört ALKYONE, die unter anderem von der Diakonie Katastrophenhilfe unterstützt wird. Sie bietet angesichts der zunehmenden psychischen Belastungen eine psychosoziale Beratung sowie eine Rechtsberatung für Geflüchtete an. ALKYONE hat zudem eine Kleiderkammer und eine Suppenküche eingerichtet, zu der täglich 120 Flüchtlinge kommen. Die Mitarbeitenden dieser Organisation hatten bereits die Flüchtlinge in dem „wilden“ Camp Idomeni unterstützt. Wie Europa dort mit Geflüchteten umgegangen ist, ist für sie offenbar eine Schlüsselerfahrung. Sie kommen einem vor wie die wahren, wie die echten Europäer. Denn sie sind für ein Europa ohne Grenzen.

So geht Familienzusammenführung

Kürzlich eröffnete Naomi mit ihrer Nähwerkstatt übrigens eine Zweigestelle in Berlin. Das Spendenaufkommen soll damit erhöht werden. Der Name des Projekts ist bewusst gewählt. Er spielt auf eine Figur aus dem Buch Rut im Alten Testament an. Naomi musste wegen einer Hungersnot aus Bethlehem nach Moab auswandern. Dort heirateten ihre Söhne zwei moabitische Frauen, Rut und Orpa. Nachdem die Söhne gestorben waren, blieb Naomi als verwitwete Frau mit ihren nun ebenfalls verwitweten Schwiegertöchtern zurück. Rut jedoch beharrt darauf, mit ihrer Schwiegermutter nach Israel zu ziehen, obwohl sie dort als Moabiterin mit Zurückweisung zu rechnen hat. Rut antwortete: „Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.“ So geht Familienzusammenführung.  

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