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Gestrandet in Griechenland

Kein Vor und Kein Zurück

S.AllmenröderRettungswesten, die Geflüchtete getragen hatten, werden in Lesbos zu Taschen verarbeitet. Eine dieser Taschen (rechts im Bild) ist in der Ausstellung zu sehen.

Im Heppenheimer Haus der Kirche ist die Foto-Ausstellung „Flüchtlinge in der Warteschlange“ eröffnet worden. Die Bilder werfen ein Schlaglicht auf die Situation geflüchteter Menschen in Griechenland, für die es kein Vor und kein Zurück gibt.

S.AllmenröderLesbos ist die Insel der Flüchtlinge. Von der Türkei aus, wo die meisten Flüchtlingsboote starten, sind es nur wenige Kilometer.

Die meisten Flüchtlinge wollen nicht in Griechenland bleiben, sondern weiter nach Österreich, die Niederlande, Schweden und vor allem Deutschland. Doch seitdem die Grenzen geschlossen sind und die Balkan-Route weitgehend dicht ist, hängen sie in Griechenland fest, einem Land, das von einer Finanzkrise und hoher Arbeitslosigkeit gebeutelt ist. Die Fotos machen deutlich, wie stark sich viele Griechen dennoch für die Geflüchteten engagieren.

Ein Flüchtlingslager für die Schutzbedürftigsten

Mehrere Bilder zeigen z.B. das Flüchtlingscamp Pikpa, das griechische und internationale Freiwillige auf der Insel Lesbos eingerichtet hatten. Derzeit sind dort rund 100 Menschen untergebracht, die zu den Schwächsten und Schutzbedürftigsten unter den Flüchtlingen zählen. Kranke, die auf ärztliche Behandlung angewiesen sind. Menschen mit Behinderungen, die Hilfe benötigen. Frauen mit einem neugeborenen Kind oder Travolta aus Kamerun. Er ist an Händen und Füßen verstümmelt. „Cut, cut, cut“, sagt der  26jährige. Regierungssoldaten hätten ihm seine Zehen und Finger abgeschnitten. Er will weiter nach Deutschland und fragt, ob es dort auch Prothesen für die Hände gebe.

Ein anderes Foto zeigt einen Mann, der mit seinem im Rollstuhl sitzenden Sohn vor seiner Holzhütte im Camp Pikpa steht. „Wir sind aus dem Irak, aber wir sind keine Muslime. Wir sind Jesiden“, sagt er auf Englisch. „Family all…“ fügt er hinzu und streicht dann mit flacher Hand seinen Hals entlang. Seine Angehörigen wurden vom Islamischen Staat ermordet. 

„Was diese Menschen erlebt haben, ist so traurig. Es gibt so viele Tragödien“, betont Efi Latsoudi, die Mitbegründerin des Camps. Die Griechin wurde vor zwei Jahren für ihr großes Engagement mit dem Nansen Refugee Award des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) ausgezeichnet.  Die Ausstellung ergänzen Fotos von den beiden offiziellen Flüchtlingslagern auf Lesbos, Moria mit bis zu 5.000 Flüchtlinge und Karatepe mit rund 1.000 Bewohnern. Die drittgrößte griechische Insel zählt selbst nur 80.000 Einwohner.

Ein Kreuz für die Ertrunkenen

In der Ausstellung ist auch das Lampedusa-Kreuz zu sehen, das der italienische Tischler Franceso Tuccio aus Planken gestrandeter Schiffe fertigte. Es soll an die Menschen erinnern, die bei ihrer Flucht über das Mittelmeer ertrunken sind. Das Kreuz steht neben einem Foto, dass das Kinder-Memorial auf Lesbos zeigt. Es erinnert an die zehn Mitglieder von zwei syrischen Familien, die am 14. Dezember 2012 auf ihrem Weg über das Mittelmeer ertranken. Bereits vorher waren Flüchtlinge auf ihrem Weg von der Türkei zu einer der griechischen Inseln ums Leben bekommen. Das Entsetzen war damals deshalb so groß, weil erstmals Kinder unter den Opfern waren. Die jüngsten waren sechs und drei Jahre alt. Internationale Freiwillige hatten mit großem Aufwand die Namen der Toten ausfindig gemacht.

Gemeinde lebt Diakonie

Weitere Fotos dokumentieren das große Engagement der deutschen evangelischen Gemeinde in Thessaloniki. Sie hat unter anderem eine Nähwerkstatt eingerichtet, in der Geflüchtete Kleidungsstücke herstellen. Sie werden auf Basaren oder Märkten gegen Spenden abgegeben. Die nur rund 300 Mitglieder zählende evangelische Gemeinde hat zudem das Projekt Folitsa (deutsch: Nestchen) gestartet. Sie mietete Wohnungen für geflüchtete Frauen und ihre Kinder an, die zum Teil seit mehr als einem Jahr auf Familienzusammenführung mit ihren in Deutschland und Österreich lebenden Männern warten. Das lange Ausharren mit ungewissem Ausgang ist für sie eine belastende Situation. Aber sie haben immerhin eine Betreuung und ein Dach über dem Kopf. Für andere gilt das nicht. Pfarrerin Ulrike Weber, die in der Ausstellung porträtiert wird, ist wegen der Ungewissheit in der langen Warteschlange besorgt: „Seitdem die Grenze nach Mazedonien geschlossen ist, bleibt mir die ‚Gute Reise‘, die ich den Flüchtlingen zum Abschied wünsche, im Halse stecken“.

Die Fotos stammen von Berndt Biewendt. Der Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Dekanat Bergstraße war zweimal mit einer Gruppe aus der der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) auf der griechischen Insel Lesbos und in Thessaloniki, die sich dort über die Lage der Flüchtlinge informierte. Die Ausstellung wurde zum Start der Internationalen Woche eröffnet. Sie ist im Heppenheimer Haus der Kirche (Ludwigstr. 13)  bis Ende Juni werktags von 9 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr sowie nach Absprache zu sehen.

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