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Ev. Spitzentreffen in Italien

Kirchenpräsidenten beklagen „humanitäres Desaster“ in Europa

EKHN/Detlev KnocheKirchenpräsident Jung vor der Synode der Waldenser in Torre Pelice, NorditalienKirchenpräsident Jung vor der Synode der Waldenser in Torre Pelice, Norditalien

Der Kirchenpräsident der italienischen Methodisten- und Waldenserkirche, Eugenio Bernardini, und der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung haben die gegenwärtige Flüchtlingspolitik in ihren Ländern am Sonntag (26. August) scharf kritisiert und vor einer Aushöhlung des Asylrechts in Europa gewarnt.

EKHN / Detlev KnocheDie Kirchenpräsidenten Eugenio Bernardini (l.) und Volker Jung in Torre PelliceDie Kirchenpräsidenten Eugenio Bernardini (l.) und Volker Jung in Torre Pellice

Bei einem Treffen in Torre Pellice bei Turin zeigten sich beide leitenden Geistlichen „erschüttert“ von der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik in Deutschland und Italien sowie über den europaweiten Trend zur Entsolidarisierung. Jung und Bernardini appellieren an Politik, für menschliche Flüchtlingspolitik zu sorgen.

Menschenwürde in Gefahr

Die „drastisch steigenden Zahlen ertrunkener Bootsflüchtlinge und die mangelnde Bereitschaft oder sogar Behinderung europäischer Länder zur Seenotrettung und für eine gemeinsame Flüchtlingspolitik“ hätten zu einem „humanitären Desaster“ geführt, so Jung und Bernardini. „Europa verliert seine Seele, wenn Werte wie die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte zunehmend in Frage gestellt werden“, waren sich die Kirchenpräsidenten einig.

Tausende Ehrenamtliche im Einsatz

Die italienische Methodisten- und Waldenserkirche sowie die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) setzten sich mit erheblichem professionellem und ehrenamtlichem sowie finanziellem Engagement für eine humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen und ihre Integration in die Gesellschaften ein, erklärten Bernardini und Jung. Mit dem Programm „Gemeinsam Kirche sein“ hätten sich Gemeinden der italienischen Methodisten und Waldenser für Menschen vor allem aus Afrika geöffnet.

Mit dem Projekt „Hoffnung für das Mittelmeer – Mediterranean Hope“ zeigten die italienischen Kirchen Alternativen für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in Italien auf, so die Kirchenpräsidenten weiter. In der EKHN engagierten sich mehrere tausend Ehrenamtliche für Flüchtlinge, erteilten kostenlosen Sprachunterricht, begleiteten sie bei Behördengängen oder der Suche nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Beide Kirchen setzten sich zudem für eine menschenwürdige Aufnahme der oftmals schwer traumatisierten Menschen ein.

Effektive Seenotrettung einrichten

Nach Einschätzung von Bernardini und Jung werden diese Bemühungen durch die gegenwärtige „unmenschliche und in Teilen rechtswidrige Flüchtlingspolitik konterkariert, behindert und grundlegend in Frage gestellt“. Deutsche und italienische Kirchen unterstützten dagegen humanitäre Organisationen für die Seenotrettung. Diese würden derzeit häufig an ihrer Arbeit gehindert, da ihnen Häfen in Italien und Malta versperrt blieben, administrative Regeln das Auslaufen verhinderten oder das Maritime Rettungszentrum für die Region im zentralen Mittelmeer in Italien Kapitänen rate, aus Seenot Gerettete an die libysche Küstenwache zu übergeben.

Deswegen forderten beide Kirchenpräsidenten die Rückkehr zu einer Flüchtlingspolitik, „die sich am Schutzbedürfnis und den Menschenrechten von Flüchtlingen orientiert“. Sie appellierten an die europäischen Regierungen und Institutionen, „eine effektive zivile europäische Seenotrettung zu organisieren und die Kriminalisierung humanitärer Organisationen, die zurzeit anstelle der eigentlich Zuständigen Menschen retten, zu unterlassen“.

Sichere Wege für Flüchtlinge schaffen

Gleichzeitig sollten „sichere Wege und großzügige humanitäre Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge geschaffen werden“, wie zum Beispiel das Programm  „humanitäre Korridore“, das in Italien, Frankreich und Belgien bereits ökumenisch umgesetzt werde. „Mit solchen und weiteren Alternativen, wie Einwanderungsmöglichkeiten für Arbeit und Ausbildung, könnte tatsächlich den Schleppern Einhalt geboten werden und das Sterben im Mittelmeer deutlich reduziert werden,“ zeigen sich die Kirchenpräsidenten überzeugt. Darüber hinaus schlugen beide vor, die aktuell aus Seenot geretteten Flüchtlinge auf europäische Länder zu verteilen.

Hintergrund: Partnerschaft mit der Waldenserkirche

Seit mehr als 50 Jahren gibt es enge partnerschaftliche Verbindungen zwischen der Waldenserkirche und der hessen-nassauischen Kirche. Sie finden ihren Ausdruck im theologischen Austausch, gegenseitigen Besuchsprogrammen und der wechselseitigen Unterstützung in diakonischen Projekten und im Engagement für Flüchtlinge. Innerhalb der EKHN gibt es Kirchengemeinden, die bis heute eng mit der Leidensgeschichte der Waldenser verbunden sind und deren Gründung auf die Vertreibung der Waldenser 1698 aus dem italienischen Piemont zurückgeht. Auf Einladung der Waldenserkirche nimmt Kirchenpräsident Jung bis Mittwoch an der Synode der italienischen Methodisten- und Waldenserkirchen in Torre Pellice teil.

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