Menümobile menu

Geschichte

Kriegsende förderte das Wirtschaftswunder

akg-images/epdFlüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die ihre Heimat verloren haben, helfen beim Wiederaufbau Deutschlands mit.Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die ihre Heimat verloren haben, helfen beim Wiederaufbau Deutschlands mit.

Das Ende des zweiten Weltkriegs wird häufig als „Stunde Null“ beschrieben. Aber das stimmt nur im politischen Bereich. Damals sorgen in der Wirtschaft viele Faktoren, oft unmittelbar durch den Krieg bedingt, schnell wieder für frisches Leben in der westdeutschen Wirtschaft.

akg-images/epdNach dem Krieg müssen die Deutschen ihre Wirtschaft und ihre Wohnungen wieder aufbauen.Nach dem Krieg müssen die Deutschen ihre Wirtschaft und ihre Wohnungen wieder aufbauen.

von Nils Sandrisser (Evangelische Sonntags-Zeitung)

Es war ein Krieg gewesen, wie es ihn zuvor noch nie gegeben hatte. Seine Opferzahl war mit mehr als 60 Millionen Menschen unvorstellbar hoch. Die Art und Weise, mit der er geführt wurde, nämlich als ideologischer Vernichtungskrieg, war beispiellos. Für den Aggressor Deutschland endet der Zweite Weltkrieg nicht nur mit der totalen militärischen Niederlage, sondern auch vor allem wegen der Vernichtung von sechs Millionen Juden mit dem moralischen Bankrott.

Wie mit dem besiegten Deutschland umgehen?

Im Potsdamer Abkommen einigen sich die Alliierten darauf, wie mit dem besiegten Deutschland zu verfahren ist. Das Ergebnis sind die fünf „D“: Demokratisierung, Denazifizierung, Demilitarisierung, Dezentralisierung und Demontage. Schon zuvor haben sie sich darauf geeinigt, das Land in Besatzungszonen aufzuteilen, außerdem kommen die Gebiete östlich von Oder und Neiße unter polnische und sowjetische Verwaltung. Ins Potsdamer Abkommen schreiben die Alliierten die „ordnungsgemäße Überführung“ der deutschen Bevölkerung aus diesen Gebieten. „Es wird keine Mischung der Bevölkerung geben“, erklärt der britische Premierminister Winston Churchill.

Millionen Menschen leiden unter der „ordnungsgemäßen Überführung“

Die „ordnungsgemäße Überführung“ sieht in der Regel so aus, dass die Deutschen aus den Ostgebieten mit kaum mehr als dem, was sie auf dem Leib tragen, weggeschickt werden. Jeweils zwei Millionen kommen aus Ostpreußen und Pommern, jeweils drei Millionen aus Schlesien und dem Sudetenland, etwa 700 000 aus Polen. Hinzu kommen noch je rund 200 000 Vertriebene aus Rumänien, Ungarn und Jugoslawien, weitere 1,5 Millionen fliehen aus der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR.

Häufig bleibt diesen Menschen keine Wahl, als in eilig zusammengezimmerten Barackenlagern unterzukommen. Denn vor allem Wohnraum ist knapp – hauptsächliche eine Folge des Bombenkriegs. 2,7 Millionen Tonnen Bomben hatten die alliierten Flugzeuge über deutschen Städten ausgekippt. Am meisten zerstört sind Städte wie Köln, Dortmund, Duisburg oder Dresden, wo jeweils mehr als 60 Prozent der Wohnungen in Trümmern liegen. Mehr als eine halbe Million deutsche Zivilisten starben durch Bomben.

Der Schwarzmarkt blüht in Deutschland

Im Nachkriegsdeutschland ist die Versorgungslage miserabel. Vor allem im Winter 1946/47 verschärft sich die Situation dramatisch: Die Deutschen haben kaum etwas zu essen und auch Kohle ist knapp. Die Menschen müssen zum Teil ihre Möbel verfeuern. In Deutschland gilt wieder die Naturalienwirtschaft, Grundnahrungsmittel und Dinge des täglichen Gebrauchs gibt es offiziell nur auf Bezugsscheine, der Schwarzmarkt blüht.

Kriegsfolgen befeuern das Wirtschaftswunder im Westen

Aber schon bald geht es aus dieser desolaten Situation heraus wieder aufwärts, zumindest in den Westzonen. Die Deutschen bauen ihre Wohnungen wieder auf, auch die heimatlosen Flüchtlinge aus den Ostgebieten finden wieder ein Dach über dem Kopf. Die Wirtschaft wächst bald wieder kräftig, vor allem nach der Währungsreform 1948, bei der die D-Mark eingeführt wird. Der Krieg hat die Deutschen nicht völlig hilf- und mittellos zurückgelassen, denn einige der Faktoren, die das Wirtschaftswunder befeuern, sind unmittelbare Kriegsfolgen.

Die Vertriebenen zum Beispiel stellen ein großes Reservoir an gut ausgebildeten und billigen Arbeitskräften. Selbst die Demontagen von Industrieanlagen und deren Abtransport in die Siegerländer wirken sich unter dem Strich positiv aus. Denn die Unternehmer ersetzen die alten Maschinen durch neue, effizientere und konkurrenzfähigere Anlagen. Geld dafür kommt aus dem „European Recovery Program“ (ERP), das als „Marshallplan“ bekannt ist und mit dem die USA die zerstörten Länder Europas unterstützte.

Die Deutschen müssen große Teile ihrer Industrie erst wieder aufbauen

Früher dachten Forscher, die deutsche Industrie habe die Bombenangriffe weitgehend unbeschadet überstanden, weil die Nazis sie unter die Erde verlegt hätten. Etwa drei Viertel der deutschen Fabriken, so lautete die Annahme, seien nach dem Krieg weiter produktionsbereit gewesen. Aber davon gehen die meisten Wissenschaftler heute nicht mehr aus. Einen Gutteil ihrer Betriebe haben die Deutschen tatsächlich erst wieder aufbauen müssen. „Schon ab 1943 gab es massive Schäden bei der Industrie“, sagt der Hagener Historiker Blank. Ab Herbst 1944 habe die Produktionskurve steil nach unten gezeigt – aber das sei nicht nur der direkten Zerstörung der Maschinen geschuldet gewesen, sondern auch den Angriffen auf die Infrastruktur. Die Bomben hatten nicht nur die Betriebe, sondern auch Gasleitungen, Straßen und Schienen getroffen. „Es kam kein Nachschub mehr“, sagt Blank.

Wirtschaftliche Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland

In Ostdeutschland dagegen bleibt die Situation lange schwierig. Die Sowjets sind hier viel gründlicher beim Demontieren der Industrie – diesen Verlust kann die Wirtschaft nicht kompensieren, zumal es das ERP hier nicht gibt. Außerdem verliert die sowjetische Besatzungszone viele ihrer Arbeitskräfte, die in den Westen gehen. In der DDR wird es noch bis in die 1960er Jahre dauern, bis auch hier so etwas wie ein Wirtschaftswunder aufblüht.

Alle News zur Geschichte auf EKHN.de

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top