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Amoklauf in München

Kriminologin: „Sie suchen den 'großen Abgang'“

SandraKavas/istockphoto.comBlume im Sonnenuntergang.

Für Kriminologin Britta Bannenberg entspricht der Amokläufer von München dem typischen Täterprofil. Im Gespräch erklärt sie warum. Außerdem beantwortet die Kriminologin die Frage, ob gewaltverherrlichende Computerspiele im Zusammenhang mit solch einer Tat stehen.

privatProf. Dr. Britta BannenbergProf. Dr. Britta Bannenberg

Der Amokläufer von München entspricht nach Einschätzung der Kriminologin Britta Bannenberg in vielen Punkten dem typischen Täterprofil. Ein Amoklauf sei keine spontane Tat, sondern lange vorher geplant. Die jüngsten Gewalttaten von Nizza könnten der Auslöser für David S. gewesen sein, seine Pläne nun umzusetzen, sagte die Gießener Professorin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bannenberg befasst sich an ihrem Lehrstuhl mit der interdisziplinären Erforschung von Amoktaten und Amokdrohungen.

epd: War der Täter von München ein typischer Amokläufer?

Bannenberg: Ja, er entspricht dem typischen Täter: ein junger Mann, ein egoistischer Einzelgänger, still, zurückgezogen, schwer zugänglich. Diese Täter haben eine Persönlichkeitsstörung, sie sind Narzissten. Sie fühlen sich nicht anerkannt, ungerecht behandelt, tragen ein Grundgefühl der Kränkung mit sich herum. Ein Amokläufer ist grundsätzlich ein Mensch, der mit dem Leben nicht zurechtkommt. Er lehnt die Menschen ab und verachtet sie, weil sie ihn in seiner von ihm selbst empfundenen Großartigkeit nicht würdigen. Er entwickelt Hass- und Gewaltfantasien und sucht dann irgendwann den „großen Abgang“. Dabei kalkuliert er seine eigene Tötung mit ein. 

epd: David S. hat seinen Amoklauf offenbar lange geplant.

Bannenberg: Es ist auch typisch, dass sich die Täter lange mit dem Thema Amoklauf befassen. Es handelt sich nicht um impulsive Spontantäter. In der Wohnung von David S. wurde ja das Buch „Amok im Kopf“ des Amerikaners Peter Langman gefunden, in dem sich der Psychologe unter anderem mit dem Columbine-Highschool-Massaker 1999 auseinandersetzt. Dieser Amoklauf ist für viele noch immer so etwas wie „die Tat schlechthin“, weil sie von den beiden Tätern inszeniert war. Diese Videos sind für viele Amokläufer inspirierend gewesen. 

epd: Kann die Häufung von Gewalttaten in jüngster Zeit der Auslöser für den Amoklauf gewesen sein?

Bannenberg: Das ist nicht auszuschließen. Die breite Berichterstattung über die Anschläge in Nizza und Würzburg könnte den 18-Jährigen angeregt haben, seine schon lange bestehenden Pläne nun umzusetzen, sie vielleicht früher auszuführen. 

epd: David S. war Deutsch-Iraner - haben Amokläufer häufiger einen Migrationshintergrund?

Bannenberg: Nein, das ist gar nicht typisch. In der Regel haben wir bei solchen Ereignissen deutsche Täter oder Täter mit einem kaum bemerkbaren Migrationshintergrund, der für sein Leben nicht bestimmend war. 

epd: Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat erneut einen Zusammenhang zwischen Amokläufen und gewaltverherrlichenden Computerspielen hergestellt. Sieht die Forschung das auch so?

Bannenberg: Spiele wie Ego-Shooter können einen verstärkenden Effekt auf die Tötungsfantasien haben, sie sind aber nicht die Ursache. Die späteren Täter beschäftigen sich lange mit der Ausführung ihrer Tat, malen sich Einzelheiten aus bis hin zur Kleidung, die sie tragen werden. Ego-Shooter-Spiele können für sie identifikationsstiftend sein, wenn die Tat dort in Teilen gleichsam vorab schon mal durchgespielt wird: So werde ich meine Opfer töten. In solchen Fällen ist zu fragen: Wenn ein Jugendlicher nach der Schule noch stundenlang in solche Welten abtaucht, wo ist die Kontrolle des familiären und sozialen Umfelds?

 epd-Gespräch: Uwe Gepp 

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