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Kurschus kritisiert EU-Asylkompromiss

EKD/Jens SchulzeAnnette Kurschus, Ratsvorsitzende der EKD

„Jammern hilft nicht. Machen!“ Für diesen beherzten Umgang mit den aktuellen gesellschaftlichen Aufgaben hat die Ratsvorsitzende der EKD, Präses Annette Kurschus, in ihrer Rede anlässlich des Johannisempfangs in Berlin geworben. Als besonders herausfordernd benannte sie unter anderem auch die Fragen nach Flucht und Migration. Deutliche Kritik übte sie an dem jüngsten Kompromiss der Europäischen Union zum Asylrecht: Mit vielen anderen teile sie den Eindruck, Europa habe damit „den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Migrationsfeindlichkeit gesucht und gefunden.“

„Angesichts all der Herkulesaufgaben, die unser Land, unsere Gesellschaft, unsere Generation zu stemmen haben, brauchen wir den Mut, auch dann zu machen, wenn wir noch keine großen – geschweige denn ‚die richtigen‘ – Lösungen wissen. Ja sogar dann, wenn wir wissen: Es gibt gar keine Lösung in dem Sinne, dass das Problem irgendwann fertig und abgehakt sein wird.“
 
Vor Bundeskanzler Olaf Scholz und mehreren hundert Gästen aus Politik, Gesellschaft und Kirche, die der Einladung der Bevollmächtigen des Rates, Anne Gidion, gefolgt waren, hob Kurschus das zivilgesellschaftliche Engagement von Initiativen und Institutionen hervor: „Wir sind ein Land mit einer außerordentlich starken Zivilgesellschaft: Eine große Mehrheit der Bürger*innen sehnt sich danach, nicht zuerst als bequem, sondern als mitverantwortlich wahrgenommen zu werden; nicht zuerst als verbohrt und verunsichert, sondern als kompetent, veränderungsbereit und veränderungsfähig“, sagte die Ratsvorsitzende.

„Abschottung spielt denen in die Hände, die Probleme bewirtschaften wollen, statt sie zu lösen“

Ausführlich ging Kurschus auf die aktuelle Debatte um den Umgang mit Migration ein. Diese werde häufig beschrieben als Streit zwischen Idealisten, die der Welt helfen wollten, und Realisten, die einsähen, dass das leider nicht gehe. „Dagegen halte ich die besorgte Frage: Wie realistisch ist eigentlich die Vorstellung, wir könnten uns die Wirklichkeit einer Welt, die angesichts globaler Konflikte und Kriege und einer gerade erst beginnenden Klimakrise ächzt, effektiv vom Halse halten? Wie realistisch ist eigentlich die Idee, wir müssten, wenn auch notgedrungen und zähneknirschend, die Rechte von Schutzsuchenden einschränken und könnten dabei zugleich ein weltoffener Kontinent und eine weltoffene Gesellschaft bleiben?“
 
Deutliche Kritik übte Kurschus an dem jüngsten Kompromiss der Europäischen Union zum Asylrecht: Mit vielen anderen teile sie den Eindruck, Europa habe damit „den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Migrationsfeindlichkeit gesucht und gefunden.“ Wie kann ein Europa, das sich selbst als Hort grundlegender Menschen- und Freiheitsrechte verstehe, diejenigen, die diese Rechte suchen, tausendfach in geschlossene Grenzlager und Familien und Kinder hinter Gitter bringen, fragte Kurschus. „Und dann sind da seit einigen Tagen die 700 zusätzlichen Fragezeichen, die mit dem entsetzlichen Bootsunglück vor Griechenland hinter den angeblichen Durchbruch in der Migrationspolitik gesetzt wurden. Noch immer und immer schmerzlicher fehlt eine Antwort Europas auf das Sterben im Mittelmeer. Wer wir sind und was uns unsere so genannten ‚Werte‘ wert sind, das zeigen wir auch und gerade im Umgang mit Geflüchteten“, so Kurschus. Abschottung und eine Rhetorik, die Angst verbreitet, spiele denen in die Hände, „die Probleme bewirtschaften wollen, statt sie zu lösen.“
 
Die Freundlichkeit des menschgewordenen Gottes gelte allen Menschen. „Hasserfüllte, verletzende und respektlose Kommentare auf Äußerungen, die mir nicht gefallen; Ausgrenzung und Beschämung von Menschen, die anders sind als ich, vertragen sich nicht mit Gottes Liebe. Das sage ich ausdrücklich auch und zuerst in unsere eigenen kirchlichen Reihen hinein“, sagte die Ratsvorsitzende. „Wir müssen alles dafür tun, dass alle – wirklich: alle! – Menschen unserer Liebe vertrauen können und dass Kirche ein sicherer Ort ist, an dem niemand verhetzt und verunglimpft und bedroht wird.“
 
Bei allen aktuellen Veränderungen und rauer werdenden Zeiten gebe es aber nicht nur in der Kirche jede Menge Möglichkeiten und jede Menge Lust, zu kooperieren, auszuprobieren und einfach zu machen, betonte Kurschus: „Wir packen es an – miteinander und mit allen anderen: mit allen Menschen guten Willens und – wie es beim Apostel Paulus heißt – mit der Kraft, die in den Schwachen mächtig ist.“

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