Menümobile menu

Kirchen und Staat einigen sich vorerst

Kompromiss im Streit um Kirchenasyl gefunden

Charlotte MattesUntergekommen in Frankfurt: Flüchtling Oliver

Entspannung beim Streit um das Kirchenasyl zwischen Kirche und Staat: Beide wollen bis Herbst ein neues Verfahren testen, das viele Asyle überflüssig machen könnte. Statt Unterschlupf in Kirchenmauern, jetzt bessere Vorklärung mit den Behörden. Um Fälle, die in einem Kirchenasyl enden könnten, kümmert sich künftig direkt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Nach einem Spitzengespräch mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, haben die evangelische und katholische Kirche Korrekturen beim Kirchenasyl vereinbart, wie der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Martin Dutzmann und der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, am Freitag in Berlin mitteilten. 

Innenminister nimmt Scharia-Vergleich zurück

Nachdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstag bereits den Vergleich zwischen Kirchenasyl und Scharia zurückgezogen hatte, hat in dem Spitzengespräch auch das BAMF klargestellt, dass die Tradition des Kirchenasyls an sich nicht in Frage gestellt wird. Gleichzeitig wurde die Einführung einer verschärften Fristenregelung ausgesetzt. Jüsten und Dutzmann erklärten: „Die beiden großen christlichen Kirchen begrüßen diese wichtigen Kurskorrekturen.“

Kirchenasyl bleibt in bisheriger Form erhalten

„Uns liegt am Herzen, dass das Kirchenasyl in seiner bisherigen Form erhalten bleibt“, betonte Jüsten. „Das ist nun bis zum Herbst ohne Einschränkung möglich“. Im Vorfeld war vom Bundesamt angekündigt worden, die Frist zur Überstellung von Personen im Kirchenasyl, die im Rahmen der sogenannten „Dublin–Verordnung“ in einen anderen Mitgliedstaat abgeschoben werden sollen, von sechs auf 18 Monate zu verlängern. Die Entscheidung über die Einführung dieser verlängerten Frist sei nun aufgeschoben.

Neue Zusammenarbeit mit Behörden wird bis Herbst erprobt

Prälat Dutzmann hob hervor: „Gemeinden entscheiden selbstständig über die Gewährung von Kirchenasyl, wenn sie befürchten, dass einem Menschen bei seiner Abschiebung Menschenrechtsverletzungen oder unzumutbare Härten drohen. Das ist auch in 'Dublin-Fällen' nicht ausgeschlossen.“ „Kirchenasyl ist für uns immer ultima ratio“, ergänzte Jüsten. In der Zeit bis zum Herbst wollen die Kirchen und das BAMF nun eine neue Zusammenarbeit bei Kirchenasylfällen erproben. Dabei sollen Kirchenvertreter die Möglichkeit bekommen, Einzelfälle erneut vom Bundesamt überprüfen zu lassen, vorzugsweise noch bevor die betroffenen Personen in das Kirchenasyl aufgenommen werden. Für die Kommunikation sollen zentrale Ansprechpartner sowohl auf Seiten der Kirchen wie auch des BAMF benannt werden. „Wir hoffen, dass dies zu einer Vermeidung von Härtefällen beiträgt“, erläutert Dutzmann. 

Asyl nicht zum politischen Instrument missbrauchen

Unter anderem haben die Gesprächsteilnehmer festgehalten, dass die Kirchen mit dem Kirchenasyl nicht das Ziel verfolgen, den Rechtsstaat in Frage zu stellen oder über das Kirchenasyl eine systematische Kritik am Dublin-System zu üben. Kirchenasyl sei kein eigenständiges, neben dem Rechtsstaat stehendes Institut, habe sich jedoch als christlich-humanitäre Tradition etabliert. „Das Bundesamt beabsichtigt nicht, die Tradition des Kirchenasyls an sich in Frage zu stellen“, heißt es in dem von allen Seiten getragenen Gesprächsvermerk.

Innenminister de Maizière: Kirchenasyl bleibt problematisch

Unterdessen hat am Freitag auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière die  Vereinbarungen zwischen Kirchen und Staat begrüßt. Auf dem Kongress Christlicher Führungskräfte in Hamburg blieb er vor 3000 Besuchern Medienberichten zufolge aber zugleich bei seiner kritischen Haltung gegenüber dem Kirchenasyl. Er bezeichnete es als rechtlich problematisch. Es sei aus christlicher Sicht nur in Einzelfällen akzeptabel, nicht aber, wenn es systematisch dazu benutzt werde, geltende Regelungen zu unterlaufen.  

Kirchenpräsident Jung: Kirchenasyl ist Nothilfe

Zuletzt hatte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung das Kirchenasyl mehrfach gegen Vorwürfe aus der Politik verteidigt und es als "Nothilfe in Einzelfällen" bezeichnet. Der Theologe hatte zudem betont, dass die Glaubensgemeinschaften beim Kirchenasyl weder ein eigenes Recht beanspruchten noch aus staatlichen Verfahren ausscheren wollten. Das Kirchenasyl ziele lediglich auf ein „Moratorium“ bei Asylverfahren, wenn menschenrechtliche Bedenken vorliegen. Es diene damit gerade dem Rechtsstaat.

Bundesarbeitsgemeinschaft mit Skepsis beim Asylkompromiss

Skeptisch hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" zu dem am Freitag bekannt gegebenen Kompromiss geäußert. Sie begrüße einerseits, dass die Tradition des Kirchenasyls von staatlicher Seite nicht länger infrage gestellt werde. Andererseits nehme sie "mit großer Sorge" wahr, dass es sich bei dem Kompromiss um einen "Aufschub" handele. Die Experten der Arbeitsgemeinschaft befürchten, dass die Behörden bei einem Misslingen der Pilotprojekte bis zum Herbst restriktivere Regelungen beim Kirchenasyl durchsetzen könnten.  

Hintergrund Kirchenasyl

Derzeit haben evangelische und katholische Gemeinden in Deutschland nach Angaben der EKD 226 Kirchenasyle gewährt. Angesichts von mehr als 200.000 Asylverfahren in Deutschland im Jahr 2014 unterstrichen die "weiterhin niedrigen Fallzahlen den Charakter des Kirchenasyls als Nothilfe im Einzelfall", kommentiert die EKD die Zahlen in einer Mitteilung. 

 

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top