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Migrationswort

Migration als gemeinsame Aufgabe wahrnehmen, nicht als Bedrohung

pixabay/GregMontani

Das Ökumenischen Migrationswort wurde in Brüssel im Lichte der aktuellen europapolitischen Debatte um den Pakt für Migration und Asyl mit Vertreterinnen und Vertretern aus dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission sowie aus Kirche und Zivilgesellschaft diskutiert.

Auf Einladung der Brüsseler Dienststelle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) ist am 29. November 2022 im Haus der EKD in Brüssel das Gemeinsame Migrationswort der Kirchen („Migration menschenwürdig gestalten“) vorgestellt worden.

Orientierung bieten

Der Vorsitzende der Migrationskommission und Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), erinnerte an das Ziel des Migrationswortes: Gerade unter schwierigen und widersprüchlichen Bedingungen wolle es Orientierung bieten – sowohl für kirchliches als auch für politisches Handeln. Es gelte, Migration nicht als Bedrohung, sondern als gemeinsame Gestaltungsaufgabe wahrzunehmen.

Verletzung der Menschenwürde ist nicht zu rechtfertigen

Bei der Vorstellung der unterschiedlichen Themenfelder des Migrationswortes hob der Erzbischof insbesondere einige sozialethische Leitprinzipien hervor: „Wichtige Ausgangspunkte ... stellen zwei biblische Einsichten dar: die Überzeugung, dass Gott alle Menschen mit gleicher Würde geschaffen hat, und das Gebot, nicht nur den Nächsten, sondern auch den Fremden zu lieben. Die Missachtung der Menschenwürde und die Verweigerung von Schutz im Angesicht ernster Gefahren lassen sich durch keine Grenze rechtfertigen. Wenn wir uns die verzweifelte Lage der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, an der Grenze zu Belarus oder auf dem Balkan ansehen, hat dieser Grundsatz eine klare politische Bedeutung.“

Gleichberechtigte Teilhabe gefordert

Außerdem ging der katholische Migrationsbischof auch auf die integrationspolitische Dimension des Dokuments ein: „Gleiche Würde muss auf Dauer eine realistische Option auf gleichberechtigte Teilhabe am politischen Gemeinwesen beinhalten.“ Daher sollten sich moderne Einwanderungsländer wie Deutschland aktiv um eine Kultur der Einbürgerung bemühen. Mit Blick auf aktuelle Krisen und Konflikte warnte Erzbischof Heße davor, ungelöste globale Probleme auf dem Rücken von Flüchtlingen und Migranten auszutragen.

Solidarität und Verantwortung

Zwei Podiumsgespräche gingen der Frage nach dem Mehrwert des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems angesichts mangelnder Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten sowie dem Beitrag, den Kirchen und NGOs bei der Verwirklichung einer menschenwürdigen Migrationspolitik leisten, nach. Dabei erinnerte die Leiterin des Brüsseler EKD-Büros, Oberkirchenrätin Katrin Hatzinger, an die anhaltenden Schwierigkeiten, auf EU-Ebene eine einheitliche Haltung in Flüchtlingsfragen zu erzielen. Gleichzeitig habe die großzügige und unbürokratische Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge deutlich gemacht, dass tragfähige Lösungen möglich seien, wenn der politische Wille bestehe. Nun sei es politisch an der Zeit, „vom Handeln im Notfallmodus zu einem ausgewogenen und nachhaltigen Solidaritätsmechanismus und einer fairen Verantwortungsteilung“ zu kommen.

Kritik an Regulierung privater Seenotrettung

Angesichts des aktuellen Streits zwischen Italien und Frankreich um die Ausschiffung von aus Seenot Geretteten unterstrich sie, dass die EU-Mitgliedstaaten endlich erkennen müssten, dass nur durch Geschlossenheit, Solidarität, die Einhaltung internationaler Regeln und der Menschenrechte die Herausforderungen durch die Migration dauerhaft bewältigt werden könnten. Sie äußerte sich außerdem kritisch zu erneuten Versuchen einiger Mitgliedstaaten, die private Seenotrettung zu regulieren; hier sei darauf zu achten, dass ihr wichtiges Engagement nicht faktisch behindert werde. Darüber hinaus begrüßte sie die angekündigte finanzielle Unterstützung der deutschen Bundesregierung für das kirchliche Seenotrettungsbündnis United4Rescue: „Dies ist eine großartige Anerkennung für den Einsatz der Seenotretter, aber auch ein Appell, die staatliche Seenotrettung wieder aufzunehmen“, so Hatzinger.

Zu weiteren Teilnehmenden der Podiumsgespräche gehörten die Europaabgeordneten Tineke Strik (Die Grünen/Europäische Freie Allianz) und Lena Düpont (Europäische Volkspartei), als Vertreter der EU-Kommission Franz Lamplmaier (Generaldirektion Migration und Inneres), Pfarrer Dr. Jack McDonald (Anglikanische Diözese in Europa) und Abriel Schieffelers (Eurodiaconia), sowie Dr. Alexander Kalbarczyk (Geschäftsführer der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz) und Dr. Torsten Moritz (Generalsekretär von CCME).

Hintergrund
Im Sommer 2018 haben die Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und die Kammer für Migration und Integration der EKD – in Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) – eine Ökumenische Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines neuen Migrationswortes der Kirchen gebildet. Die Veröffentlichung erfolgte am 21. Oktober 2021. Am 18. Juli 2022 wurde eine englische Fassung mit einem neuen Vorwort von Erzbischof Dr. Stefan Heße und Bischof Dr. Christian Stäblein (Berlin) bereitgestellt („Shaping Migration in a Humane Manner“). Seit dem 22. November 2022 liegt eine zweisprachige Zusammenfassung des Migrationsworts (Deutsch/Englisch) vor.

Das Gemeinsame Wort „Migration menschenwürdig gestalten“, die Zusammenfassung auf deutsch und englisch sowie das englischsprachige Statement von Erzbischof Dr. Stefan Heße finden Sie hier.

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