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MeinDorf55+

Neue App bringt Leben ins Dorf

Hans Genthe / ekhnDie App MeinDorf55+ bringt ältere Menschen im Nassauer Land wieder zusammen.Die App MeinDorf55+ bringt ältere Menschen im Nassauer Land wieder zusammen.

Schon immer haben sich Menschen gegenseitig geholfen und vernetzt. Im Nassauer Land zwischen Rhein und Lahn verbinden sich Menschen seit 14 Jahren über die „Initiative 55 plus minus“, die Mitmachbörse für soziale Kontakte. Jetzt geschieht das auch digital mit der neuen App MeinDorf 55+.

Till SchümmerIn der App MeinDorf55plus pflegt jeder seinen PersonenkreisIn der App MeinDorf55plus pflegt jeder seinen Personenkreis

Heute ist „App Café“. 27 Männer und Frauen aus dem Nassauer Land sind gekommen, um die neue App auszuprobieren. Dieter Zorbach teilt neue Tablet-Computer aus: "Alles Spenden" ruft der ehemalige Schulleiter aus Bonrich in den Raum. Er ist das Herz der Initiative, ist von Anfang an dabei und gehört selbst längst zur Generation 55 plus. Er würde jedoch nicht sagen, er sei der Chef. „Wir sind gemeinsam aktiv und jeder bringt für andere etwas ein.“ Und schon leuchten die Bildschirme auf.

Überwiegend Frauen sind an diesem Nachmittag ins Schulgebäude gekommen. Der Termin stand im Blättchen. „Wir sind ja schon jahrelang dabei und freuen uns auf die Projekte und Sachen, die viele anbieten,“ sagt die eine. Und ihre Nachbarin ergänzt: „Normal spiele ich ja nur mit dem Tablet, da bin ich jetzt mal gespannt.“ Sie drückt auf den Button „Mein Dorf“ und schon erscheinen Projekte wie „Erzählte Zeitgeschichte“ - gerade wird Band 5 geschrieben. Weiter erscheint ein Vortrag über die neuen Pflegestufen und eine Veranstaltung zum Islam. „Da ist ja auch unser Dorffrühstück!“ 

Vom gedruckten Heft zur interaktiven App

Treffen kann man sich beim „Platt schwätze“ oder beim „Deutschunterricht für unsere polnischen Haushaltshilfen“.  Tauschbörse und Kleinanzeigen gehören auch zur App. Die Software bringt Menschen zusammen, die etwas tauschen wollen, die Unterstützung suchen oder sich einbringen möchten. Und weil es bei so vielen Möglichkeiten auch viele Fragen gibt, steht ab sofort Ulrike Steinsberger-Henkel zur Verfügung. Die fest angestellte Projektbegleiterin ermuntert zum Mitmachen und hilft bei den ersten Gehversuchen mit der App. „Fragen Sie mich, ob die App für Sie das Richtige ist.“ Und sie verspricht: „Die App ist noch im Wachsen.“  

Bei „Mein Dorf 55 plus“ kann jeder aus der Region etwas anbieten oder nutzen. „Vor zwölf Jahren wollte ich mal Elektroschweißen lernen“ erzählt Dieter Zorbach „und habe die Idee ins Programm gegeben“. Gleich acht oder neun Männer hätten sich gefreut, dass sie ihr Wissen weitergeben können. „Die Leute bekommen hier die Chance, aktiv zu werden und ihre Möglichkeiten einzusetzen.“ Er habe nie eine Programmplanung gemacht, sondern nur das ins Heft geschrieben, was andere suchten oder anböten. So habe es 2015 mehr als 300 Veranstaltungen gegeben mit 5.000 Teilnahmen. 70 bis 80 Menschen betreuen Projekte selbständig, rechnet Zorbach vor. „Mit der App haben wir ab jetzt immer den aktuellen Stand, jeder kann sein Thema auf der App selbst präsentieren und wir müssen nicht mehr auf das Heft warten.“ 

Es geht um ein neues Miteinander im modernen Dorf

Till Schümmer ist heute auch dabei. Der Informatiker der FernUni Hagen hat mit seinen Kollegen allein von der Idee bis zur Umsetzung Arbeitsstunden für ein ganzes Jahr gesammelt.  „Die App MeinDorf55+ ist eine Weltneuheit, denn sie bietet in erster Linie soziale Kontakte.“ Sein Anliegen sei es, den Sozialraum zu gestalten. „Am Ende geht es um die Beziehung, um ein neues Miteinander im Dorf, wo die Kinder wegziehen und die Pendler im Alter allein bleiben.“ Und er erklärt, wie man auf dem Bildschirm in einem Kreis Menschen um sich versammelt, die zu einem gehören, näher oder weiter, als Freunde oder Nachbarn, als Familie oder Experten. „Ich schiebe sie mit dem Finger dahin, wo ich sie im Leben sehe.“  
Facebook könne Freunde und Freundeskreise gar nicht so flexibel und differenziert darstellen. „Außerdem können Sie über die App Kümmerer werden und Verantwortung für einen oder mehrere Menschen übernehmen.“ Zusätzlich zum persönlichen Kontakt zeigten Smileys an, wie es dem anderen geht. Und wer einen anderen zur App einlädt, erhält die Nachricht: „Erst mal reden“. Die Technik sieht Dieter Zorbach nur als Hilfsmittel. „Wir wollen Menschen befähigen und nicht versorgen.“ 

App ergänzt die Arbeit der Kirchengemeinden

Für Zorbach unterstützt die neue App ein kirchliches Anliegen, dass Menschen ihren Eigenwert, den Gott ihnen gegeben hat, erkennen und befähigt werden, „das Priestertum aller Gläubigen auszuführen“, wie es Luther den Menschen zugesprochen habe. Damit will Zorbach, der auch als Prädikant Gottesdienste hält, das kirchliche Handeln „über die klassischen kirchlichen Milieus hinaus“ führen. „Wir ergänzen die Arbeit der Kirchengemeinden und bringen sie in die Region." Andere Kirchenkreise hätten schon Interesse an der App gezeigt. Kirche und Diakonie Hessen gehen mit ihrem DRIN-Projekt neue Wege und unterstützen MeinDorf55+ mit insgesamt 100.000 Euro für die Entwicklung und die gründliche personelle Begleitung.

Zu erreichen ist die App über die Internetseite www.meindorf55plus.de.

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