SVR-Studie
Politische Teilhabe für junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte stärken
iStock/Alessandro Biascioli
14.03.2025
bj
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Hürden vor allem für migrantisch wahrgenommene Personen sind fehlende Zugänge zur Politik, Diskriminierungserfahrungen und die geringe Repräsentation der eigenen Gruppe. Um Teilhabe zu verbessern, braucht es politische Bildungsarbeit, Vorbilder in der Politik sowie Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit.
In Deutschland hatte 2023 knapp 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund; in etwa die Hälfte aller Personen mit Zuwanderungsgeschichte besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Allerdings spiegelt sich die Vielfalt der Bevölkerung bislang nicht in der politischen Repräsentation wider. Besonders junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind seltener politisch aktiv (11%) als Gleichaltrige ohne Zuwanderungsgeschichte (40%), das verdeutlichen quantitative Daten aus dem SVR-Integrationsbarometer 2024. „Aus integrationspolitischer Sicht ist das problematisch, da Teilhabe politische Zugehörigkeit symbolisiert und die Identifikation mit dem Gemeinwesen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann“, sagt Dr. Nora Storz, Autorin der Studie und Mitarbeiterin im wissenschaftlichen Stab des SVR.
Die Studie entstand im Rahmen des Praxisprojekts „YoungUP!, Junge BIPoC für Teilhabe ermutigen, begeistern und aktivieren“ das vom Förderverein des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats e.V. (BZI) durchgeführt und von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und zugleich Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus gefördert wird. Dazu sagt Staatsministerin Reem Alabali-Radovan: „Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind noch längst nicht gleichberechtigt in der Politik vertreten. Das ist ein Problem, denn mangelnde Repräsentation schwächt die Demokratie und den Zusammenhalt in unserem Land. Das Projekt ‚YoungUp!‘ ermutigt junge Menschen mit Einwanderungsgeschichte, sich politisch zu engagieren, der eigenen Stimme mehr Gehör zu verschaffen und es zeigt Wege auf, wie ihre politische Teilhabe besser gelingen kann.“
Mithilfe qualitativer Interviews geht die Studie dem Beteiligungsdefizit junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte auf den Grund. „Einige Befragte sehen ihre Interessen in der aktuellen politischen Landschaft nicht gut vertreten. Sie wünschen sich eine gezieltere Ansprache durch die Politik, zum Beispiel an Orten, die verstärkt von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte frequentiert werden, etwa in Schulen oder benachteiligten Stadtteilen, aber auch in den sozialen Medien“, so Dr. Storz. Das würde den Zugang zur Politik erleichtern, denn oft fehle es den Befragten an Wissen über politische Strukturen und Beteiligungsmöglichkeiten. Dafür ist auch politische Bildungsarbeit entscheidend.
Die Studie empfiehlt, Angebote politischer Bildung schon ab dem Grundschulalter an allen Schulformen vorzusehen. Planspiele, Exkursionen und Kooperationen mit außerschulischen Bildungsträgern sind Möglichkeiten, um Politik lebensnah zu vermitteln. Auch Vereine, Migrantenorganisationen und sonstige zivilgesellschaftliche Akteure können hier eine zentrale Rolle spielen.
Junge migrantisch wahrgenommene Menschen berichten in den Interviews zudem von Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen. Diese motivieren manche dazu, sich politisch zu beteiligen, um der Ungerechtigkeit etwas entgegenzusetzen. Andere halten eben diese Erfahrungen davon ab, sich (weiterhin) politisch zu engagieren. „Hier sind gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen wichtig, die eine Teilhabe ohne Rassismuserfahrungen ermöglichen. Hierzu können Antirassismustrainings für Personen in politischen Führungspositionen und Lehrkräfte einen Beitrag leisten“, sagt Dr. Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung beim SVR.
Viele Befragte nehmen Parteien als nicht-diverse Räume wahr, die weder ihre Erfahrungen noch Perspektiven anerkennen. Dabei würden auch Parteien von der Diversifizierung profitieren. Indem sie die Interessen junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte berücksichtigen, können sie auch neue Mitglieder und Wählerstimmen gewinnen. „In der parlamentarischen Demokratie sind die Parteien gefordert, sich stärker als bisher für junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu öffnen und ihnen attraktive Angebote zu machen – ganz in ihrem eigenen Interesse“, so Dr. Schneider.
Die SVR-Studie „Jung und vielfältig, aber noch nicht politisch beteiligt? Wege zu mehr Partizipation für junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ kann hier heruntergeladen werden:
https://www.svr-migration.de/publikation/jung-und-vielfaeltig-aber-noch-nicht-politisch-beteiligt/
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