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Film und Filmgespräch

Taste of Cement am 9. April im naxos.Kino

Ziad Kalthoum, Taste of Cement

Blauer Himmel über Beirut, Wolkenkratzer mit Traumblick aufs Mittelmeer. Tagsüber werden sie von syrischen Bauarbeitern errichtet. In ihrer Heimat Syrien zerstört der Krieg zur gleichen Zeit ihre eigenen Häuser. Nachts zwingt sie die Ausgangssperre in das Innere der Zementriesen. Sie dürfen die Baustelle nicht verlassen. Im Keller der Betongiganten kochen, hoffen und schlafen sie. Der junge syrische Regisseur Ziad Kalthoum hat mit "Taste of Cement - Der Geschmack von Zement" ein bildgewaltiges, emotionales Werk geschaffen.

Die poetische Sicht des Erzählers vermischt sich in diesem ästhetisch aufregenden Werk mit den Klängen und Bildern von Aufbau und Zerstörung in einer traumähnlichen Dissonanz. "Taste of Cement - Der Geschmack von Zement" ist ein schillerndes Essay über die Bedeutung des Lebens.

Stimmen aus dem Off

Die Kamera von Talal Khoury findet spektakuläre Bilder von Wolkenkratzern in Beirut. Kräne ragen in einen prächtigen Abendhimmel. Halbfertige Geschosse ragen ins Nichts. Der majestätische Gestus, die erhaben wirkenden Bilder erzählen von einer Geschichte, die hinter dem hier und heute liegt. Diese Geschichte kristallisiert sich erst allmählich heraus. Sie gehört den Stimmen aus dem Off. Sie gehört syrischen Bauarbeitern in Beirut.

Von Kriegen und deren Folgen

Die Trennung von Bild und Stimme gehört zu den klassischen Mitteln des essayistischen Films, also eines „nachdenklichen“ dokumentarischen Kinos. Sie erzeugt einen bestimmten Effekt: Es ist, als würde man sich nachträglich über die Bilder beugen und sich von ihnen zu Gedanken und Erinnerungen anregen lassen. In Ziad Kalthoums Film bekommt diese Nachträglichkeit eine zweifache Dimension: denn die Bauarbeiter, deren Stimmen zu hören sind, teilen ihre Erfahrung mit einer Generation vor ihnen, mit der Generation ihrer Väter, die ebenfalls in Beirut gearbeitet haben. In beiden Fällen ging es darum, einen Krieg zu vermeiden oder dessen Folgen zu beseitigen.

1990 endete im Libanon ein Bürgerkrieg, 2011 begann in Syrien ein anderer. Die beiden Länder sind benachbart, die Erfahrungen sind vergleichbar. In beiden Fällen war die Konfliktlage unübersichtlich und Großmächte verfolgten ihre eigenen Interessen. In einem herkömmlichen Dokumentarfilm würde man diese Parallelen von Zeitzeugen bestätigen lassen. Man würde vielleicht einen älteren Mann finden, der 1990 in Beirut gearbeitet hat, und würde seine Erzählung mit der eines heutigen „Arbeiters im Exil“ konfrontieren.

Persönliche Erinnerungen

Ziad Kalthoum wählt einen anderen Weg. Er sucht nach einem Erinnerungsbild, in dem er diese beiden Zeitdimensionen und diese beiden Erfahrungen von Krieg verbindet. Er findet es in einer Tapete, die einmal in einer Küche in Syrien eine Wand bedeckt hatte. Auf dieser Tapete war das Meer zu sehen, das in Syrien für die meisten Menschen nicht zum Alltag gehört, während es in Beirut allgegenwärtig ist. Ein Vater hatte diese Tapete aus Beirut nach Syrien gebracht. Für den Sohn wirkt es im Rückblick, als würden ihn die Erinnerungen daran überschwimmen – auch hier kommt der Geschmack von Zement ins Spiel, denn für den Sohn wurde der Geruch seines Vaters unvergesslich.

Von diesem intimen Moment aus einer Kindheit vor (und nach) einem Krieg bewahrt Ziad Kalthoum die Essenz auf: eine Gedächtnisspur, die von einer Stimme weitergegeben wird. Während die Bilder der exponierten Bauarbeiter auf den Rohbauten hoch über der Stadt an heroische Filme und Bilder erinnern (zum Beispiel an die Art und Weise, wie Arbeiter nach der Russischen Revolution gefilmt wurden, aber auch an das berühmte Foto von den Arbeitern auf dem noch im Bau befindlichen Empire State Building), verweisen die Erzählungen der Stimme auf einen anderen Typus Film: auf die intime Autobiographie, auf die diskrete Erzählung von den allerpersönlichsten Sachen.

Zum Filmgespräch ist Filmemacher Ziad Kalthoum eingeladen

Moderation: Wolf Lindner, naxos.Kino

Taste of Cement
Ziad Kalthoum, Deutschland Libanon 2017, 85 Min
Sprache: Original mit dt. UT
09. April, 19.30 Uhr
naxos.Kino
Waldschmidtstraße 19 HH (gegenüber Mousonturm)
60316 Frankfurt

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