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Kundgebung mit Dekanin Weigel zu Leid und Tod auf der Flucht

„Weltweit einander beistehen, das macht uns zu Menschen"

Renate WeigelAnlässlich der Kundgebung hat Dekanin Renate Weigel eine Collage unter dem Hashtag #dievergessenen21000 in den Sozialen Netzwerken gepostet. Sie soll auf das Leid der Geflüchteten aufmerksam machen

„Wir erheben unsere Stimme gegen die unmenschliche Praxis, Menschen in Not und Lebensgefahr zum Spielball politischer Interessen zu machen.“ Mit diesen Worten begrüßte Urs Michalke, Gemeindepfarrer der evangelischen Kirchengemeinden Hahnstätten und Kaltenholzhausen, auf dem Dorfplatz die Menschen zu einer Kundgebung und einem Gedenken anlässlich des Weltflüchtlingstages.

HAHNSTÄTTEN/RHEIN-LAHN. (21. Juni 2021) „Wir erheben unsere Stimme gegen die unmenschliche Praxis, Menschen in Not und Lebensgefahr zum Spielball politischer Interessen zu machen.“ Mit diesen Worten begrüßte Urs Michalke, Gemeindepfarrer der evangelischen Kirchengemeinden Hahnstätten und Kaltenholzhausen, auf dem Dorfplatz die Menschen zu einer Kundgebung und einem Gedenken anlässlich des Weltflüchtlingstages. Die Kirchengemeinden, das Jugendhaus Hahnstätten und die Fachstelle für Flüchtlinge und Migration des Diakonischen Werkes hatten dazu eingeladen unter dem Motto „21.000 – die Vergessenen“, unter dem sich zahlreiche Menschen an der Unteren Aar zwischen Diez und Burgschwalbach versammelten.

In Worten, Gebeten, mit Musik und Kerzen wurde auf dem Dorfplatz der im Mittelmeer Ertrunkenen und auf der Balkan-Route, in Camps, Lastwagen oder an Grenzzäunen Verstorbenen gedacht. Urs Michalke erinnerte an alle etwa 82 Millionen Menschen, die nach Angabe der UNO weltweit auf der Flucht sind. „Auch wenn wir uns oft ratlos und machtlos fühlen angesichts der humanitären Katastrophen dieser Welt, spüren wir: Es ist gut, Zeichen zu setzen, zu erinnern und miteinander die Überzeugung zu teilen, dass wir menschlich handeln müssen und dass die humanitären Werte, die vor 70 Jahren in der UN-Flüchtlingskonvention festgeschrieben worden sind, nach wie vor gelten müssen und nicht aufgeweicht werden dürfen“, so Michalke.

„Flucht darf keine Todesursache sein“, sagte Zarmina Ahmadi vom Diakonischen Werk, erinnerte an viele solidarische Initiativen, die für die Würde der Menschen und gegen das Sterben kämpfen und betonte: „Menschenrechte sind nicht verhandelbar.

Schutzbedürftige Menschen müssen geschützt werden, das gilt universell.“ Oft werde vergessen, dass die Menschen nicht erst seit 2015 auf der Flucht sind, sondern schon Jahrzehnte. Flüchtlinge von der Unteren Aar begleiteten das Gedenken mit Musik und sie erinnerten an die mehr als 35.000 Toten, die in den vergangenen 25 Jahren auf dem Weg nach Europa verstarben, in verschiedenen Sprachen, auf Syrisch, Armenisch, Afghanisch und Englisch.

In Deutschland eine neue Heimat zu finden, darauf hofft auch ein junger Mann aus Syrien, der neun Jahre auf der Flucht war, der im Libanon als Achtjähriger für Lebensmittel arbeiten musste anstatt eine Schule zu besuchen und der im Alter von 15 Jahren nach Deutschland kam, um dort einen Beruf zu erlernen und endlich Freunde, Familie und sichere Heimat zu haben. Oliver Krebs und Ailina Neumann vom Jugendhaus hatten das Interview aufgezeichnet. In Kooperation mit der Jugendpflegerin der Verbandsgemeinde Aar-Einrich Eva Schwichtenberg brachten sie die Anwesenden mit zwei Koffern auf andere Weise zum Nachdenken. Für die sollten drei Dinge ausgewählt werden, die man in die Ferien und auf eine Flucht unbedingt mitnehmen möchte.

Ihre 91-jährige Mutter habe Zweifel geäußert, ob das mit den Flüchtlingen so zu schaffen sei, erzählte die Dekanin des evangelischen Dekanats Nassauer Land Renate Weigel. Erst die Feststellung, dass da ja Christen dabei seien, habe ihr die weltweite Verbundenheit und Verantwortung deutlich gemacht. Manchmal habe sie den Eindruck, so Weigel weiter, dass christliche Politiker christliches Handeln und Hilfe „als Falle“ darstellen wollen, weil sie die Ordnung und den Wohlstand gefährden. Aber es könne doch nicht sein, dass die grundlegendsten Überzeugungen des menschlichen Zusammenlebens eine Falle sind. „Sorgen macht mir, dass das irgendwann auf uns zurückfällt“, so die Theologin. „Weltweit einander beistehen, das macht uns zu Menschen, zu barmherzigen und liebevollen. Das dürfen wir niemals aufgeben“, sagte Weigel und betete dann mit den Teilnehmenden. Für die sozialen Netzwerke hatte Weigel eine Collage unter dem Hashtag #dievergessenen21000 gepostet, die auf das Leid der Geflüchteten aufmerksam macht und fragt: „Wer wird uns retten, wenn wir Hilfe brauchen?“

Bevor die Kirchenglocken 21 mal zum Gedenken an die Verstorbenen angeschlagen wurden und kleine Kerzen in den Händen der Teilnehmenden leuchteten, erklang „We shall over come“ auf dem Dorfplatz. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Volker Jung hatte anlässlich des Weltflüchtlingstages gemahnt: „An die Toten vor unseren Grenzen dürfen wir uns nicht gewöhnen“. Er rief dazu auf, Menschenrechte zu achten, Schutzsuchende aufzunehmen und Menschen zu retten. 

Von Bernd-Christoph Matern

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