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Kommentar zum Nahost-Konflikt

Auge um Auge

Andreas Lochmann/pixelio.deLicht durch SchlüssellochWo liegt der Schlüssel zum Frieden?

Die Gewalt in Israel und Palästina eskaliert. Blinde Wut scheint aber auch im Spiel zu sein, wenn Hetzparolen gegen Israel bei Demonstrationen laut werden. Pfarrer Martin Vorländer, Theologischer Redakteur der EKHN, bezieht Stellung.

von Martin Vorländer (Evangelischen Sonntags-Zeitung)

„Wer seinen Nächsten verletzt, dem wird zugefügt, wie er getan hat, Schaden um Schaden, Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ So steht es geschrieben im 3. Buch Mose. Die Bibelstelle wird gerne verwendet, wenn es darum geht, die Eskalation von Gewalt und Gegengewalt anzuprangern. Israel und Palästina fügen sich gegenseitig ein Leid nach dem anderen zu.

Was geschah

Seit dem 12. Juni wurden drei israelische Talmud-Schüler aus einer Siedlung bei Bethlehem vermisst. Israel beschuldigte die Palästinenser-Organisation Hamas, die Jugendlichen entführt zu haben. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Tat und forderte die Freilassung der Teenager. Israels Armee riegelte das südliche Westjordanland ab und verhaftete Hamas-Mitglieder.

Am 30. Juni wurden die Leichen der drei Jugendlichen unter einem Steinhaufen bei Hebron gefunden. Ein grausames Verbrechen. Jetzt wäre es darum gegangen, die Täter zu finden und vor Gericht zu stellen. Dazu kommt es nicht. Israel wird aus palästinensischen Gebieten mit Kleinraketen beschossen. Israels Luftwaffe fliegt Angriffe auf Ziele im Gazastreifen.

Kurz nach der Beisetzung der drei wird ein 16-jähriger muslimischer Araber verschleppt und bei lebendigem Leib verbrannt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte die Tat einen »abscheulichen Mord« und rief den Vater des Opfers an, um zu kondolieren. Jüdische Extremisten, die die israelische Polizei gefasst hat, haben gestanden. 

„Auge um Auge“ – ursprünglich als Ausgleich gedacht

Das Prinzip »Auge um Auge, Zahn um Zahn« wird meist gründlich missverstanden. Es geht nicht um das Recht, gnadenlos zurückzuschlagen. Im Gegenteil. „Auge um Auge“ soll verhindern, dass ein Verbrechen zu Blutrache führt und ganze Familien auslöscht. Eben nur ein Auge für ein Auge, nur ein Zahn für einen Zahn. Das Leid, das sich Israelis und Palästinenser gegenseitig angetan haben, lässt sich nicht aufrechnen. Jeder einzelne Tote und die Gesamtzahl sind erschreckend. Beiden Seiten muss geholfen werden.

„Auge um Auge“ meint nicht, den Täter zu verstümmeln. Das Gebot steht für einen Ausgleich, den es zwischen Täter und Opfer geben muss, damit Gerechtigkeit und Frieden einziehen. Das Bibelwort lässt offen, wer für ausgleichende Gerechtigkeit sorgt. Theologisch gesprochen: Gott ist es, vor dem sich jeder Täter für seine Verbrechen verantworten muss. „Auge um Auge“ lässt den Täter wissen, wie seine Tat von Gott gesehen wird und dass sie nicht folgenlos bleibt.

Antisemitismus benennen

Gandhi sagte nach dem üblich falschen Verständnis trotzdem trefflich: „Auge um Auge lässt die Welt erblinden.“ Nach blinder Wut sieht es zwischen Palästina und Israel aus. Blindwütig sind auch die Hetzparolen gegen Israel bei Demonstrationen in deutschen Städten wie Frankfurt, Berlin und München. Der Protest gegen das militärische Vorgehen Israels dient einigen als Deckmäntelchen für ihren Antisemitismus.

Durch Mitgefühl die Perspektive wechseln

Israel und Palästina machen sich erpressbar, wenn sie die Verbrechen einzelner Radikaler mit Bomben rächen. Doch genau das passiert. Rakete um Rakete schlägt in Gaza sowie in Israel ein. Israelische Elitetruppen greifen auch am Boden an. Nach palästinensischen Angaben steigt die Zahl der Getöteten in Gaza auf über 170, darunter viele Zivilisten.
UN-Sicherheitsrat, EU und Arabische Liga versuchen, diplomatisch einzugreifen. Diplomatisch gefordert ist auch jeder hier: sich nicht einseitig vereinnahmen zu lassen. Für einen Ausgleich der Lebensinteressen zwischen Israelis und Palästinensern einzutreten. Um einen gerechten Frieden zu beten. Die Angehörigen der ermordeten jüdischen und arabischen Jugendlichen haben miteinander telefoniert. Die jüdischen Familien wollen einen Beileidsbesuch bei der Familie des arabischen Opfers machen. Von Auge zu Auge. Von Angesicht zu Angesicht.

 

 

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