»Digital Mensch bleiben«
Digital Mensch bleiben
EKHN/Norbert NeetzKirchenpräsident Volker Jung.04.10.2018 esz Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Kommunikation ist leichter geworden. Die Schattenseite sind »hate speech«, Trolle, Filterblasen – die insgesamt die Demokratie schwächen. Was braucht die Gesellschaft, damit soziale Medien mehr Nutzen bieten als Schaden anrichten?
Die neuen kommunikativen Möglichkeiten sind nicht von vornherein eine Schwächung der Demokratie – auch nicht die Schattenseite. Entscheidend ist doch, wie sich Menschen dazu verhalten. Deshalb ist es zunächst nötig zu lernen, Informationen kritisch zu bewerten. Außerdem wäre es gut, wenn auch für die Kommunikation im Netz bestimmte Regeln gelten würden. Dazu gehört vor allem Respekt voreinander. Das lässt sich aber nicht verordnen, sondern muss als eine Art gesellschaftliche Übereinkunft entwickelt werden. Im Übrigen halte ich es für wichtig, Ideen zu entwickeln, wie Demokratie durch digitale Kommunikation gestärkt werden kann. Hier stehen wir alle noch am Anfang.
Sie plädieren dafür, die Unterschiede zwischen Mensch und Roboter deutlich herauszustellen. Wie soll das gehen?
Ich muss zum Beispiel am Telefon erkennen können, ob ich mit einem Menschen rede oder einem antwortenden Roboter.
Künstliche Intelligenz (KI) wird Arbeitsplätze vernichten. KI-Systeme können als Juristen, Journalisten und Radiologen eingesetzt werden. Das erzeugt Ängste. Wie kann man die den Menschen nehmen?
KI-Systeme können in der Tat mittlerweile Tätigkeiten übernehmen, für die wir uns das bisher nicht vorstellen konnten. Das wird allerdings in den von Ihnen genannten Berufen nicht bedeuten, dass diese wegfallen. KI-Systeme werden auf absehbare Zeit Assistenzsysteme bleiben. Es wird darum gehen, die Kooperation von Mensch und Maschine weiterzuentwickeln.
Telemedizin, Videosprechstunde – gut oder schlecht?
Auch hier gibt es kein einfaches Gut oder Schlecht. Beides kann gut sein, wenn es den bestehenden analogen Kontakt zwischen Ärztin und Patient ergänzt.
Marvin Minsky, einer der großen Forscher auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, hat gesagt, dass schlaue Maschinen die Menschen als Haustiere behalten werden – wenn sie Glück haben. Was denken Sie darüber?
Das ist eine Horrorversion. Ich glaube nicht, dass Maschinen ein eigenes Bewusstsein entwickeln können. Sie können aber vermutlich menschliches Bewusstsein imitieren. Und da ist dann entscheidend, welche Algorithmen steuern. Sie könnten so programmiert sein, dass sie menschliches Leben auslöschen. Deswegen sind dringend ethische Debatten über die Steuerung von KI-Systemen nötig.
Was macht den Menschen aus?
Ein eigenes Ich-Bewusstsein, das mehr ist als die Addition von einzelnen Gedankenketten und Gefühlen. Im biblischen Verständnis ist dies das Leben, das Gott in die Materie hineingegeben hat. Damit macht Gott den Menschen zu seinem Ebenbild, zu einem echten Gegenüber.
Was muss an den Schulen passieren im Angesicht der Digitalisierung?
Ich würde das Fach Informatik stärken. Und, noch wichtiger: Es muss eine echte Verfügungskompetenz über die Technik gestärkt werden. Dazu gehört, nicht nur zu lernen, wie Technik funktioniert. Sondern vor allem zu lernen, darüber zu entscheiden, warum und wozu wir Technik einsetzen wollen. Da muss ein Grundverständnis dafür entwickelt werden, was Leben ist und wie wir Leben schützen und stärken können. Dazu braucht es neben der naturwissenschaftlichen Bildung auch und vor allem sprachliche, musische, religiöse und übrigens auch sportliche Bildung.
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