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Botschaft zum Feiertag von Ulrike Scherf

„Karfreitag ist eine Zumutung“

EKHN/OeserUlrike Scherf

Der Karfreitag mutet den Menschen mit seinem konzentrierten Blick auf den qualvollen Tod Jesu einiges zu, sagt die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten, Ulrike Scherf in ihrer Botschaft zum Feiertag. Doch er erinnere auch daran, dass es möglich ist, alle Verzweiflung vor Gott zu bringen: Keine Situation ist zu weit weg von Gott. Ihre Betrachtung zum Karfreitag auf ekhn.de im Wortlaut.

Karfreitag ist eine Zumutung. Er mutet uns so einiges zu. Gefoltert, geschlagen, am Ende seiner Kräfte hängt Jesus am Kreuz. Ausgesetzt ist er all denen, die ihn verspotten. Manch einer würde sich leichter mit dem Glauben tun, wäre Jesus anders aufgetreten, hätte er anders gehandelt und geredet – gerade am Ende. Ein solches Sterben: grausam, qualvoll, allein. Der Karfreitag mutet uns aber genau das immer wieder zu: Jesus der Gottessohn am Kreuz. Alle Erklärungsversuche greifen ins Leere – es gibt keine guten Gründe für so einen Tod, für so eine Qual. Hier bei Jesus nicht und auch bei sonst keinem Menschen. Keiner sollte so gequält werden, keiner so sterben. Und doch geschieht es.

Jedes Kreuz erinnert an das Sterben 

Jedes Kreuz erinnert uns daran. Jedes Kreuz erinnert uns an Jesu Sterben, aber auch an sein Beten. Voller Angst und Bedrängnis schreit er am Kreuz: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Er ruft mit Worten des 22. Psalms, er leiht sich diese Worte, um sein Anliegen vor Gott zu bringen und seine Verzweiflung in Worte zu fassen.

Mein Gott, warum hast du mich verlassen? 

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. (Psalm 22, 2 und 3) Die Worte aus Psalm 22 lassen spüren, wie sich der Psalmbeter von Gott verlassen fühlt. Er ist verzweifelt, ruhelos und voller Unverständnis, nicht nur angesichts des Todes. Warum, Gott, bist du so weit weg?

Vor Gott bringen, was die Sprache verschlägt

Ohnmächtig und allein fühlt sich, wer diese Worte verwendet. Gott ist nicht greifbar. Manchmal spüre ich das schmerzlich und fühle mich von ihm verlassen. Dann sehne ich mich nach seiner Nähe, nach seiner Gegenwart – und bete, rufe und hoffe ruhelos auf Antwort. Dann hilft es mir, am Gebet festzuhalten, am Gespräch mit Gott. Warum, Gott? Ich bringe vor Gott, was mir die Ruhe nimmt und die Sprache verschlägt. Wie tröstlich, dass ich mir dann Worte leihen kann, Bibelworte, Gebete, die Menschen in ähnlichen Situationen durch die Jahrhunderte hindurch gebetet haben: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Manchmal kann man den Tod nicht verstehen

Das Psalmwort, das Jesus in seiner Todesstunde schreit, erinnert mich daran, dass ich den Tod nicht verstehe und manchmal auch das Leben nicht. Und es erinnert mich zugleich, dass ich all dies vor Gott bringen kann. Ich kann mich an ihn wenden, ihm vertrauen. Selbst dann, wenn alles gegen mich steht, selbst dann, wenn Glaube sinnlos scheint. Selbst dann, wenn ich nach Gott rufe und keine Antwort erhalte. Ich darf glauben, ich darf beten. Denn das ist Glaube: selbst in der Gottesferne daran festhalten, dass Gott das Schreien und Fragen und Verzweifeln hört und mich nicht verlassen wird. Auch in dem nicht, was mir zugemutet wird.

Kein Ort ist zu weit von Gott weg

Dafür steht der Karfreitag. Dafür steht das Kreuz: dass kein Ort, keine Situation zu weit von Gott weg ist. Immer und überall können wir zu ihm beten, selbst dann, wenn uns die Worte fehlen.

Ulrike Scherf 

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