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Kopftuch-Urteil

Muslimische Ärztin: Kopftuch ist kein Thema

Doris SticklerÄrztin mit KopftuchTahani Barghouthi arbeitet in den Frankfurter Diakoniekliniken. An ihrem Kopftuch stört sich niemand.

Die Muslimin Tahani Barghouthi arbeitet in den Frankfurter Diakoniekliniken. An ihrem Kopftuch stört sich niemand.

Von Doris Stickler (Evangelische Sonntags-Zeitung)

Die Verwandtschaft zwischen christlicher und islamischer Ethik war Tahani Barghouthi schon als Kind vertraut. Aufgewachsen in Kuwait, besuchte sie eine von katholischen Schwestern geführte Schule. 

Wegen der humanitären Grundhaltung christlicher Krankenhäuser suchte die mittlerweile in Deutschland lebende Ärztin denn auch bevorzugt dort nach einer Stelle. Die hat sie in den Frankfurter Diakoniekliniken gefunden. Ihr Kopftuch stand dabei nicht im Weg. Das sei beim Einstellungsgespräch „überhaupt kein Thema“ gewesen.

Seit April ist sie im Bethanien- und Markuskrankenhaus als Allgemeinmedizinerin tätig, bis heute hat sich zu Barghouthis eigener Überraschung niemand an ihrem Kopftuch gestört – weder auf Seiten der Kolleginnen und Kollegen noch auf der der Patienten. 

Kopftuch regt zu Gesprächen an

Hin und wieder rege es allenfalls zu interessierten Fragen an oder löse Gespräche über die politische Situation im Nahen Osten aus. Warum das Kopftuch im Fall der Bochumer Krankenschwester zur Kündigung führte, kann Barghouthi nur schwer nachvollziehen. Vielleicht habe sie sich nicht neutral verhalten. 0

Erst Ärztin, dann Muslimin

Wenngleich sie sich selbst als gläubige Muslimin bezeichnet, ist die 48-jährige Medizinerin „nicht streng religiös“ und will auch „niemanden missionieren“. Das Fachliche besitze „absolute Priorität“, sagt Barghouthi. Ihr gehe es darum, als Ärztin gute Arbeit zu leisten. Sollte die durch das Kopftuch beeinträchtigt werden, lege sie es auch ab. Beim Besuch von Patienten, deren Immunsystem niederliegt, tausche sie es zum Beispiel aus hygienischen Gründen gegen eine Haube aus. 

Kopftuch weckt Vertrauen muslimischer Patienten

Mitunter stellt sich Barghouthis Kopftuch sogar als Vorteil heraus. Manche Muslime fassten deswegen zu ihr nämlich viel schneller Vertrauen. Weil die aus einem palästinensischen Elternhaus stammende Ärztin Arabisch, Englisch und Deutsch gleichermaßen beherrscht, wurde sie von den Diakoniekliniken zudem beauftragt, sich um jene Patienten zu kümmern, die aus arabischen Ländern eigens nach Deutschland zur medizinischen Behandlung kommen. Das sind im Jahr immerhin rund 200 Menschen.

Geschäftsführer hält Kopftuchverbot für „aberwitzig“ 

Angesichts der in Krankenhäusern vertretenen Multikulturalität – von den Ärztinnen und Ärzten über das Pflegepersonal, Hauswirtschafts- und Reinigungskräfte bis zu den Patienten – hält Jürgen Schäfer, der Geschäftsführer der Diakoniekliniken das vom Bundesarbeitsgericht bestätigte Kopftuchverbot für geradezu „aberwitzig“. Bei der Einstellung von Tahani Barghouthi sei in erster Linie ihr Fachwissen Ausschlaggebend gewesen. Zumal sie sich ausdrücklich zu den christlichen Werten und Traditionen der Klinik bekannte. 

Burka schwierig, weil man das Gesicht nicht erkennt

Dass Barghouthi ein Kopftuch trägt, spielte für Schäfer bei der Entscheidung jedenfalls keine Rolle. Gerade in einer Stadt wie Frankfurt seien ohnehin die Zeiten vorbei, in denen man nur unter den Putzfrauen Kopftuchträgerinnen findet. Mit einer Burka hätte der Direktor des Bethanien-Krankenhauses allerdings Probleme – hier erkenne man schließlich kein Gesicht.

EKHN-Kirchenpräsident fordert Öffnung für Menschen anderer Religionen

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung forderte bereits vor zwei Jahren eine „deutlichere Öffnung der evangelischen Kirche und ihrer Arbeitsverhältnisse“ für Menschen anderer Religionen. Wie EKHN-Pressesprecher Volker Rahn vor dem Hintergrund des Kopftuchurteils betonte, werde es in der Landeskirche „respektiert, wenn muslimische Mitarbeiterinnen mit dem Kopftuch ihre religiöse oder kulturelle Identität zum Ausdruck bringen“. Vorausgesetzt, sie erkennen die in der Einrichtung geltenden Grundsätze an.

Muslime ja, Kopftuch nein

Unter diesen Vorgaben sind dem Leiter des Arbeitsbereichs Kindertagesstätten beim Diakonischen Werk Frankfurt, Kurt-Helmuth Eimuth, muslimische Erzieherinnen auch jederzeit willkommen. Die Einrichtungen des Evangelischen Regionalverbandes beschäftigten bereits einige muslimische Pädagoginnen. Kopftuchträgerinnen lehne er jedoch ab. Neben weltanschaulichen Gründen fallen für Eimuth hier namentlich die pädagogischen Aspekte ins Gewicht. 

Kindern soll Gleichberechtigung vorgelebt werden

Ausgehend von der christlichen Prämisse, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind und beide daher ihr Antlitz nicht verhüllen müssen, frage er sich, welches Geschlechterbild eine Kopftuchträgerin den Kindern vermittle. Diese würden schließlich vieles durch Nachahmung lernen. Etwas Magengrimmen bereitet Eimuth daher, dass in den hauswirtschaftlichen Bereichen der Kitas Frauen mit Kopftuch tätig sind. 

Keine Kündigungen wegen Kopftuch geplant

Diese Kräfte habe man zu Zeiten eingestellt, in denen noch keine Sensibilität für das Thema vorhanden gewesen sei. Einen Grund, ihnen heute zu kündigen, sieht er nicht. Eimuth gewinnt der Widersprüchlichkeit lieber positive Seiten ab. In den Bereichen Küche und Reinigung mache das Kopftuch aus hygienischer Sicht ja durchaus Sinn.

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