Musikmesse Frankfurt
Digitale Kirchenorgeln auf der Musikmesse
Esther StoschFür diesen jungen Trommler gibt es ein Angebot - Kirchenmusiker hingegen informieren sich lieber im Internet05.04.2019 epd Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Den Weg zur Musikmesse in Frankfurt hat der Kirchenmusiker Hans Joachim Brehm in diesem Jahr vor allem wegen der Big Band der Bundeswehr angetreten. „Die ist toll“, lobt der ehrenamtliche Organist der evangelischen Kirchengemeinde Nidda-Eichelsdorf im Wetteraukreis. Seit 30 Jahren kommt der ehemalige Lehrer regelmäßig zu Europas größter Messe für Musikalienhändler und Musiker auf das Messegelände im Herzen der Mainmetropole.
Doch diesmal ist Brehms Stimmung beim Schlendern durch die riesigen Ausstellungshallen ziemlich getrübt. „Früher konnte man hochwertige Instrumente ausprobieren, Kollegen zum Austausch treffen. Jetzt aber ist fast nichts mehr los.“ Und sein Steckenpferd, die Kirchenmusik, komme fast überhaupt nicht mehr vor, so sein Eindruck. Schon immer hatte sich die Kirchenmusik auf dem viertägigen internationalen Branchentreff eher im Hintergrund gehalten. Nur einige Orgelbauer und Notenverlage, die auch Sakralmusik im Angebot haben, sind dort vertreten.
Besucherzahlen der Musikmesse sind rückläufig
Schon seit Jahren schwächelt die Musikmesse, die noch bis einschließlich Freitag dauert. Die Zahl der Aussteller ist rückläufig, etwas mehr als 1.600 aus 56 Ländern sind es in diesem Jahr - 20 weniger als im Vorjahr. Mehr als 90.000 Fachbesucher machten sich 2018 auf zur Messe, 2017 waren es noch 100.000. Viele große und prominente Hersteller bleiben ihr fern. Das Internetgeschäft und die billigere Konkurrenz aus Asien haben auch den Musikalienmarkt schwer unter Druck gesetzt. Und für viele Kirchenmusiker scheint die Musikmesse ohnehin kaum interessant zu sein, schätzt der Verband Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland mit Sitz in Nürnberg.
Kirchenmusiker vom Angebot enttäuscht
„Die Messe ist ganz schön zusammengeschrumpft“, sagt Bernhard Carolus aus Heidelberg etwas traurig. Wie sein hessischer Orgelkollege Brehm hat er jahrzehntelang gerne die große Produktschau in Frankfurt besucht. Doch jetzt lohne sich für ihn als Kirchenmusiker kaum mehr die Anreise. Viele Aussteller fehlten, spannende Neuerungen gebe es kaum, erzählt Carolus, der in der katholischen Kirche St. Anna in Heidelberg ehrenamtlich die Orgel spielt. Viele Kirchenmusiker informierten sich lieber direkt bei den Produktanbietern im Internet oder auf Haus- und speziellen Fachmessen.
Das kann Peter Michner, Chef der Orgelbaufirma „Sonorgan“ aus dem saarländischen St. Wendel, nur bestätigen. Mit seinen Spieltischen mit elektronischer Klangerzeugung ist der 67-Jährige nach längerer Pause wieder mit einem kleinen Messestand in Frankfurt vertreten. „Die Kosten sind für viele Aussteller zu hoch“, sagt er. Auf der Messe sei er, um seine neuen Produkte zu präsentieren und um „den ein oder anderen Kunden zu gewinnen“.
Möglicher Markt der Zukunft: digitale Kirchenorgeln
Auf dem kleinen Markt der digitalen Kirchenorgeln sieht Michner mit Handarbeit und hochwertigen Materialien für sich ein Potenzial: Viele Kirchengemeinden könnten sich neue Pfeifenorgeln nicht mehr leisten oder müssten ihre alten teuer sanieren. Für sie könnten deshalb seine günstigeren Instrumente eine Alternative sein, sagt er. Für die Musikalienbranche in Deutschland und Europa sowie für die Zukunft der Musikmesse sieht der Orgelhersteller schwarz: „Die Chinesen machen uns platt.“
Auch Sebastian Luck von der Firma UHT aus dem thüringischen Sömmerda-Orlishausen hofft, dass er mit seinem Angebot an Holztasten für elektronische Sakralorgeln und Spieltische für Orgeln punkten kann. Das „Nischenprodukt“ könne bei manchen Messebesuchern punkten, hofft er.
Stabile Nachfrage von Kirchenchören und Chorleitern nach Noten für Klassiker
Das Jahr 2019 wird nach Einschätzung vieler Aussteller ein Schlüsseljahr für die Zukunft der Musikmesse sein, die immer mehr an Boden gegenüber Messen in China und den USA verliere, sagt Corinne Votteler. Auch „aus Verbundenheit und um Gesicht zu zeigen“ sei man dort vertreten, erzählt die Verkaufsleiterin des Verlags Bärenreiter aus Kassel. Stabil sei die Nachfrage von Kirchenchören und Chorleitern nach Noten für „Klassiker“, wie großen Messen. Die Sparte Pop und Gospel wachse.
Der pfälzische Gospel-Pfarrer Stefan Fröhlich aus Maxdorf im Rhein-Pfalz-Kreis fährt erst gar nicht zur Musikmesse, um sich zu informieren. Notenmaterial für Gospelchöre werde über die Stiftung „Creative Kirche“ im nordrhein-westfälischen Witten gebucht, sagt er. Instrumente würden über einen Internetgroßhändler oder den Fachhandel gekauft.
Auch Stefan Küchler, Kantor aus Mörfelden-Walldorf, spart sich lieber die nahe Anreise. Im Internet fänden sich auch Auszüge aus Notenmaterial, erzählt der Vorsitzende des Landesverbands evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Hessen-Nassau: „Dafür reist man nicht nach Frankfurt.“
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