BLICKWECHSEL
Zwischen zwei Kriegen...
pixabay09.03.2022 bj Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Dann ist Krieg. Sollen wir den Stacheldraht auf die andere Seite überqueren? Oder bleiben wir hier und bauen die Geschichte neu auf? Seit Jahrhunderten sterben immer Soldaten, ohne zu wissen, welcher der beiden Anführer siegreich war.
Gedanken stürmen wieder durch meinen Kopf, Fragen nach Identität und Heimat, die Entscheidung zu bleiben oder zu fliehen, Gefühle von Angst und Mut, der Geruch von Krieg strömt durch mein Fenster mit der Ankündigung des Beginns einer umfassenden Militäroperation gegen die Ukraine.
Ich muss zuerst alle meine Fehler und die Leidenschaften des Herzens zugeben. Es gibt keine Überlebenden im Krieg, aber es gibt Verbannte und Ausgeschlossene.
Es gibt keine Heimatländer, die denen gleich sind, die wir verlassen, keine Taschen, die wir in unserer Migration tragen, die alle unsere Träume beherbergen.
Ungleiche Opfer
Der Krieg gegen die Ukraine fällt zusammen mit der Annäherung an meine Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft nach einem langen Asylmarathon, den ich in den letzten sieben Jahren durchlebt habe, auf der Flucht vor einem ähnlichen Krieg, der meine erste Heimat Syrien zerstört hat.
Meine Freundin betont den großen Unterschied zwischen den beiden Kriegen. Die Flüchtlinge im Jahr 2015 waren hauptsächlich Männer, während die Männer in diesem Krieg in der Ukraine blieben, um ihn zu verteidigen. Die ausgebildeten Flüchtlinge mit blauen Augen, die ungebildeten Flüchtlinge mit schwarzen Locken, das ferne außereuropäische Syrien und die nahe europäische Ukraine.
Ich frage mich, sind diese Unterschiede der Grund für die Schließung der Grenzen für die nicht Ukrainer, wenn sie versuchen, dem Krieg zu entkommen? Mir scheint, dass die Opfer angesichts des Krieges auch ungleich sind.
Krieg ist Krieg
Ein ukrainisches Kind kommt alleine an der Grenze zur Tschechoslowakei an, hungrig und verängstigt. Was für eine Szene, die mich zurück zu den Millionen von Kindern in meinem Land bringt, die ihr Leben unter den Bombenangriffen und im Schlamm der Lager verbracht haben.
Kriegs Gespräche treffen uns wie Flüchtlinge in der Tiefe und wirken sich auf uns aus. Am Anfang hatten wir keine Zeit, die Szenen der Zerstörung, in denen wir lebten, zu vergessen, und dann haben wir in unseren neuen Heimatländern nicht beendet, was wir begonnen haben. Was wäre, wenn der Krieg hierherkäme?
Ein Arbeitskollege fragt mich, ich antworte spontan: „Lass mich nicht neu anfangen. Ich bleibe hier.“ Nicht, weil ich mich so sehr zugehörig und integriert fühle, sondern weil ich dankbar bin für diese Momente, in denen ich mich nach so vielen Kriegsjahren wirklich sicher gefühlt habe.
Stoppt den Krieg
Morgen werde ich sicherlich sterben
Aber jetzt lebe ich noch
Ich werde von jetzt kein Marmor für mein Grab kaufen
Ich werde mein Glück nicht betrauern und werde nicht um mich weinen
Ich werde dem Tod mit einem Liebestanz antworten oder mit einem singenden Kind an meiner Hand
Stoppt den Krieg für eine Weile, damit ich die Erde in meine Hände nehmen kann
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